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Mittwoch, 31. März 2021 - zuletzt bearbeitet am 8. Mai 2021

"Aus der Zeit gefallen" – Baulandschnäppchen mit § 13b

© Rainer Sturm - pixelio.de

Boden ist nicht vermehrbar und steht unter Konkurrenzdruck. Wer nachhaltig wirtschaften, die Klimaschutzziele erreichen, den Verlust der biologischen Vielfalt abwenden und das Ernährungssystem stabil gestalten möchte, muss jetzt die Ressourcen und Dienstleistungen des Bodens erhalten, schützen und reparieren. Hilfreich sind dabei eine bodenschonende möglichst ökologische Land- und Forstwirtschaft und eine Raumplanung, die ihren gesetzlichen Auftrag zur Minimierung der sog. Flächenneuinanspruchnahme ernst nimmt. Der umstrittene bis 2019 befristete § 13b des Baugesetzbuchs sandte gegenteilige Signale. Jetzt geht er in die Verlängerung und konterkariert elementare Nachhaltigkeitsziele. 

Am 7. Mai 2021 war die nordrhein-westfälische Lockerungs- und Entfesselungskoalition am Ziel. Im Rahmen des Baulandmobilisierungsgesetzes hauchte der Deutsche Bundestag mehrheitlich dem § 13b Baugesetzbuch (BauGB) ein neues Leben ein. "Wieder haben die politisch Verantwortlichen die Chance vertan, gegen unkontrollierten Flächenverbrauch vorzugehen und sich für Klimawandelanpassungen einzusetzen“, kommentierte Olaf Bandt,  Vorsitzender des BUND. Das von der Bundesregierung festgelegte Ziel, bis 2050 den Flächenverbrauch auf Netto-Null zu bringen, rückt damit in weite Ferne. 

Eine Woche zuvor hatte das Bundesverfassungsgericht sein wegweisendes Urteil  zum Nachhaltigkeitsartikel 20a des Grundgesetzes und dessen rechtliche Bedeutung für Generationengerechtigkeit und das Klimaschutzgesetz gefällt. 

Bandt: „Bodenschutz ist Klimaschutz, denn der Boden ist der wichtigste Kohlenstoffspeicher. Aktuell werden in Deutschland jeden Tag 52 Hektar für Siedlungs- und Verkehrsflächen verbraucht. Eine verbindliche Reduzierung des Flächenverbrauchs ist dringend notwendig, verbunden mit einer stärkeren Entwicklung des bestehenden baulichen Bestands. Wohnraum darf nicht auf Kosten des Naturschutzes gehen, vor allem dann nicht, wenn er nur wenigen Privilegierten zugutekommt.“ 

Ein am 4. Mai 2021 einstimmig verabschiedeter 13b-Bebauungsplan für Schwalmtal-Dilkrath zeigt: Nicht alle Grenzland-Kommunen gehen so verantwortlich mit Klimaschutz, Nachhaltigkeit und dem "Zersiedelungsparagrafen" um, wie es die Ex-Bauministerin Barbara Hendricks oder der SPD-Bundestagsabgeordnete Udo Schiefner hoffen und wie es das Bundesverfassungsgericht indirekt fordert.

Die „Vereinfachungen“ der 13er Reihe

Der alte § 13b des Baugesetzbuches lautete: „Bis zum 31. Dezember 2019 gilt § 13a entsprechend für Bebauungspläne mit einer Grundfläche im Sinne des § 13a Absatz 1 Satz 2 von weniger als 10 000 Quadratmetern, durch die die Zulässigkeit von Wohnnutzungen auf Flächen begründet wird, die sich an im Zusammenhang bebaute Ortsteile anschließen. Das Verfahren zur Aufstellung eines Bebauungsplans nach Satz 1 kann nur bis zum 31. Dezember 2019 förmlich eingeleitet werden; der Satzungsbeschluss nach § 10 Absatz 1 ist bis zum 31. Dezember 2021 zu fassen.“

§ 13b übertrug damit das auf die grüne Wiese, was ursprünglich für Innenstädte und Ortskerne gedacht war. Der § 13 BauGB ermöglichte den Kommunen, unter bestimmten Bedingungen einen Bebauungsplan zu ändern und zu ergänzen und dabei auf die europaweit geltenden Regelungen zur Umweltprüfung zu verzichten und die Öffentlichkeitsbeteiligung einzuschränken.  

Zum 1. Januar 2007 wurde der § 13a im Rahmen einer Innenentwicklungsnovelle in das Baugesetzbuch eingefügt. Er sollte die Wiedernutzung von Flächen und Nachverdichtung in Innenstädten und Ortskernen fördern. Die Gesetzgeber*innen wollten Rahmenbedingungen für eine investitionsfreundliche, flächensparende und nachhaltige Stadtentwicklung schaffen und die erstmalige Flächeninanspruchnahme für Wohnen und Arbeiten verringern.  

Das beschleunigte Bebauungsplan-Verfahren nach 13a gilt bis heute für eine Grundfläche von weniger als 20.000 Quadratmetern. Abweichungen vom übergeordneten Flächennutzungsplan sind möglich,  Eingriffe in Natur und Landschaft müssen nicht ausgeglichen werden. 

Im Bundestag war die damit verbundene sozialökologische Einschränkung nicht konsensfähig. Grüne und Linke wehrten sich vergeblich dagegen, dass mit dem § 13a Umweltprüfung und ökologische Ausgleichsregelungen wegfielen und die Öffentlichkeitsbeteiligung am Planverfahren eingeschränkt wurde.  

© Rainer Sturm - pixelio.de

Weil Bauplanung mit  § 13a in den Kommunen „schneller und einfacher“ geht,  gehört sie mittlerweile zum Verwaltungsalltag. Den § 13a anzuwenden, ist vielerorts bei Planungen unter dem Schwellenwert von 20.000 m² von der Ausnahme zur Regel geworden. Die Kommunen können damit die „lästige“ Umweltprüfung und den immer schwieriger und teurer werdenden ökologischen Ausgleich umgehen.   

Ob § 13a die Innenstadtentwicklungen forciert und den Wohnungsdruck gemindert hat, ist bis heute nicht nachgewiesen. Ein systematisches Monitoring findet nicht statt. Auch ein vereinfachter und beschleunigter Bebauungsplan braucht Personal und kommunales Stehvermögen, wenn Immobilienbesitzer*innen und Grundstücksspekulant*innen nicht „mitspielen“ wollen“.  Der  § 13a sollte ursprünglich die Inanspruchnahme von neuen Flächen außerhalb des Siedlungsbereichs weniger attraktiv machen. Das bestätigte die Bundesregierung am 15. Juli 2014 in einer Antwort auf eine kleine Anfrage grüner Bundestagsabgeordneter.  

Doch im Frühherbst 2016 hintertrieben Georg Nüßlein & Co das Flächensparziel, um schnelle und einfache Bauinvestitionen zu fördern. Sie erfanden den § 13 b und drückten ihn gegen die Expertise der zuständigen Ministerialbeamten in den  „Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2014/52/EU im Städtebaurecht und zur Stärkung des neuen Zusammenlebens in der Stadt“.  

„Für uns Grüne ist Widerstand Pflicht“

Jürgen Mistol - © Grüne Bayern

„Zwar ist „b“ ein kleiner Buchstabe, er hat aber manchmal katastrophale Folgen.“ So begann der bayerische Landtagsabgeordnete Jürgen Mistol am Donnerstag, 9. Februar 2017 seine Begründung zum tags zuvor eingereichten Dringlichkeitsantrag Nr. 17/15324. Darin forderten die bayerischen Grünen, den § 13b des Baugesetzbuches ersatzlos zu streichen, bevor in Kraft tritt.  

Dennoch war der kleine Buchstabe der Auslöser dafür, dass NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger am Mittwoch, 27. Januar 2021 dem stellvertretenden Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion Sören Bartol zum neuen Baulandmobilisierungsgesetz eine Petition mit seinerzeit 35.753 Unterschriften übergab. 

Das hätte er nicht machen müssen, hätten sich die bayerischen Grünen 2017 mit ihrem Dringlichkeitsantrag durchgesetzt. Dann wäre auch der Schwalmtaler Gemeinderat nicht auf die Idee gekommen, mit „Am/38“ eine Ein- und Zweifamilienhaussiedlung auf Dilkrather Ackerland zu planen, weit entfernt von Bus und Bahn, aber in direkter Nähe zur markanten St. Gertrudiskirche.  

  • Umweltverträglichkeitsprüfung und politische Risiken

2014/52/EU steht für die im April 2014 in Kraft getretene Überarbeitung der europäischen Richtlinie zur Umweltverträglichkeitsprüfung. Politik und Verwaltung wollten damit europaweit  

  • bis 2020 den Verlust an biologischer Vielfalt und die Degradation der europäischen Ökosysteme stoppen
  • die Auswirkungen von Projekten während der Bau-, Betriebs- und Abrissphasen im Sinne des Umwelt- und Gesundheitsschutzes berücksichtigen
  • das Kulturerbe, einschließlich historischer Stätten und Kulturlandschaften schützen und aufwerten
  • den einfachen und wirksamen Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen fördern 
  • bestimmten Umweltthemen wie Ressourceneffizienz und Nachhaltigkeit, Schutz der biologischen Vielfalt, Klimawandel mehr Bedeutung bei der politischen Entscheidungsfindung verleihen
  • die politischen Akteure für Umweltfolgen und Risikoanfälligkeit im Sinne des UN-Rahmenplans zur Katastrophenvorsorge sensibilisieren
  • die als Flächenverbrauch umschriebene nichtnachhaltige Ausweitung von Siedlungsflächen eindämmen und bei Bauprojekten die genauen Auswirkungen auf die Böden in die Entscheidungsabwägung miteinbeziehen. Das war als europäischer Beitrag zur Abschlusserklärung der UN-Konferenz für nachhaltige Entwicklung gedacht.  Sie hatte vom 20. bis 22. Juni 2012 in Rio de Janeiro stattgefunden und  Staaten, Regionen und Kommunen der Welt aufgefordert, die Landverödung umzukehren.

Die Richtlinie verpflichtet Behörden in einem sog. Screening-Verfahren zu überprüfen, ob für Vorhaben eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) durchzuführen ist. Wenn ja, legen sie im Scoping den Untersuchungsrahmen für die Prüfung fest und veröffentlichen am Ende einen UVP-Bericht.

Das Verfahren soll unter größtmöglicher Beteiligung der Öffentlichkeit stattfinden, denn es geht um Geld, Tiere und Pflanzen, um Boden, Luft und Wasser. UVP ist aufwändig und komplex. Sie ist mit Unsicherheiten und vielen Wahrscheinlichkeiten hinsichtlich der Wechselwirkungen und Rückkopplungen in Ökosystemen verbunden. UVP kann dem politischen Handeln im Einzelfall unliebsame Grenzen ziehen.  

Die reformierte UVP- Richtlinie musste bis spätestens 16. Mai 2017 in nationales Recht umgesetzt werden.  

  • Zorniger Brief der Bauministerin 
© Stephanie Hofschläger - pixelio.de

Im Sommer 2016 wurde bekannt, dass Dr. Barbara Hendricks, damalige Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, die notwendigen Baugesetzänderungen mit einer Initiative für mehr Nachverdichtung in Innenstädten koppeln wollte. Ihr „Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2014/52/EU im Städtebaurecht und zur Stärkung des neuen Zusammenlebens in der Stadt“ sollte Rahmenbedingungen für mehr bezahlbaren Wohnraum in den Städten setzen. Baurechtserleichterungen sollten ein Nebeneinander von Wohnen, Leben und Arbeiten ermöglichen.  

Öffentlich schlug die Ministerin vor, den sozialen Wohnungsbau zu einer Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Ländern zu machen. Der ist seit der sog. Föderalismusreform vom 1. September 2006 in Länderhand.  

Mieterbund, Spitzenverband der Wohnungswirtschaft,  Grüne und Linke begrüßten den Vorschlag. CDU/CSU waren dagegen. Von der SPD gab es ein geteiltes Echo. Der damalige CDU/CSU-Fraktionsvize Georg Nüßlein (CSU) forderte steuerliche Anreize und Ausweisung von Bauland, damit „Privatinvestoren wieder investieren.“  

Am 2. Dezember 2016 berichtete die Süddeutsche Zeitung von einem „zornigen Brief“, den Barbara Hendricks im September 2016 an Kanzleramtsminister Peter Altmaier geschickt habe. Darin beschwere sie sich über Georg Nüßlein, der Gebiete am Rand von Dörfern und Gemeinden - den sogenannten Außenbereich - einem verkürzten Planungsverfahren unterwerfen wolle. Dies könne sie als Umwelt- und Bauministerin „in keiner Weise akzeptieren.“  

Hendricks' Widerstand war jedoch erfolglos. „Denn zu tun hatte sie es wohl nicht nur mit dem Abgeordneten Nüßlein, sondern offenbar auch mit der Staatskanzlei in München, bis hinauf zu Horst Seehofer“, vermutete Michael Brauchmüller in der Süddeutschen Zeitung. „Und so versteckt sich nun in dem Gesetzentwurf der Bundesregierung ein Paragraf, der sich im ursprünglichen Entwurf des Gesetzes nie fand.“

Die Fachverbände hatten im Sommer 2016 den ursprünglichen Referentenentwurf begutachtet – ohne den § 13b. Die Vereinigung für Stadt- Regional- und Landesplanung (SRL) wehrte sich „ganz entschieden“ gegen dieses Verfahren bei Gesetzesänderungen. Die UVP-Gesellschaft beschwerte sich bei der Europäischen Kommission.

Der von der CSU 2016 in das Anpassungsgesetz zur Umweltverträglichkeitsprüfung „reingedrückte“ Paragraf 13b widerspricht den europäischen und deutschen Vorschriften, die „Nachhaltigkeit“ und „Flächensparen“ regeln,  denn er ermöglicht, Bauland an Ortsrändern ohne die üblichen Umweltregeln auszuweisen. 

Jürgen Mistol war sich schon vor Inkraftreten sicher, dass mit dem § 13b ein Passus ins Gesetz reingemogelt wurde, der dem Flächenfraß in Bayern Tür und Tor öffne, die Stärkung der Innenentwicklung zur Farce mache und landwirtschaftliche Flächen vernichte. Mistol vermutete, dass die Kommunen die Befristung als Druck oder, wie es die CSU ausdrücke, als Chance empfinden könnten, innerhalb dieses Zeitfensters möglichst intensiv von dieser Regelung Gebrauch zu machen. Mistol sprach von der Gefahr einer Bau- und Planungspanik und machte dem Bayerischen Landtag deutlich: „Kolleginnen und Kollegen, beim Thema „sparsamer Umgang mit Grund und Boden“ verstehen wir GRÜNE keinen Spaß; da ist für uns GRÜNE Widerstand Pflicht.“

Vielfältige Unterstützung

© Rainer Sturm - pixelio.de

Nicht nur für die bayerischen Grünen war Widerstand Pflicht. Sie erhielten vielfältige Unterstützung.

  • Linke: 13b konterkariert die Innenstadtentwicklung

Die wohnungsbaupolitische Sprecherin Caren Lay machte deutlich, dass der 13b die Innenstadtentwicklung konterkariere und stattdessen Zersiedlung und Flächenfraß fördere. Lay bezog sich auf die Bauministerin: „Frau Hendricks, Sie haben sich selber mit den Worten zitieren lassen, dass dies im Widerspruch zu allen umweltpolitischen Bemühungen steht. Sie haben gesagt, Sie könnten es in keiner Weise akzeptieren. Sie haben dann auch Ihre Hoffnung zum Ausdruck gebracht, dass diese Änderung, auf den letzten Metern von der CSU durchgesetzt, keine Mehrheit finden wird. Das finden wir auch. Diese Änderung lehnen wir ab. Wir werden dazu auch einen Änderungsantrag einbringen. Dann, meine Damen und Herren, wird es auch an Ihnen liegen, ob der Wunsch von Frau Hendricks hier eine Mehrheit finden wird.“

  • Grüne: 13b passt nicht zur Biodiversität

Der wohnungsbaupolitischer Sprecher Chris Kühn wies darauf hin, dass der § 13b nicht nur in Gebieten mit Wohnraummangel gelte, sondern auch dort, wo die Bevölkerung rückläufig ist. Auch dort seien Bürgerbeteiligungen, Umweltprüfung und Ausgleichsmaßnahmen ausgehebelt: „Wir reden über Biodiversität und wollen keine Ausgleichsmaßnahmen machen. Das passt nicht zusammen. Wir Grüne werden den 13b nicht mittragen. (…) Ich glaube, die CSU hat die Dorfkerne und die Kleinstädte längst aufgegeben. Das ist nämlich das Signal des § 13b, das Sie von der CSU senden.“

  • Bundesrat: 13b ist in der Sache kontraproduktiv

Der Bundesrat forderte, den 13 b zu streichen, verwies auf die deutschen Flächensparziele, bezweifelte die europarechtliche Vereinbarkeit der Regelung und stellte nochmals klar:Die Intention des beschleunigten Verfahrens nach § 13a BauGB war, die Innenentwicklung auf die Überholspur zu bringen, ihr einen „verfahrensrechtlichen Vorsprung“ vor der Inanspruchnahme des Außenbereichs zu geben und damit einer weiteren Flächenversieglung des Freiraums entgegenzuwirken. Nun das gleiche Instrument für die Entwicklung von Flächen im Freiraum zu nutzen, ist auch in der Sache kontraproduktiv.“

In seiner ausführlichen Begründung erläuterte der Bundesrat die Folgen des beschleunigten Verfahrens im Außenbereich, wies auf den Widerspruch zu den Belangen des Natur- und Bodenschutzes hin und prognostizierte, dass Außenbereiche ohne Rücksicht auf Umweltverträglichkeit als neue Baugebiete ausgewiesen werden könnten.  

Auch die 1 ha-Begrenzung könne an dieser Einschätzung nichts ändern. Sie ließe sich in der Praxis leicht durch die Ausweisung mehrerer Neubaugebiete an verschiedenen Ortsrändern oder eine Aneinanderreihung bei der Ausweisung aushebeln.  

Auch von der Begrenzung auf Flächen, die sich an im Zusammenhang bebaute Ortsteile anschließen, erwartete der Bundesrat wenig, da dies ohnehin dem Regelfall bei der Ausweisung von Neubaugebieten entspreche.  

Fazit: „Die befristete Öffnung des vereinfachten Verfahrens zur Innenentwicklung für Bauflächen bis 1 ha Größe im Außenbereich wird zu vermehrter Ausweisung, auch auf Vorrat, von Bebauungsplänen rund um die Ortslagen führen. Damit wird das Ziel der Innenentwicklung und des Natur- und Ressourcenschutzes unterlaufen. Bauen im Außenbereich findet ohnehin statt, wie die Zunahme von Gebäude und Freiflächen um 2,5 ha pro Tag bundesweit von 2011 bis 2014 auf 2012 bis 2015 belegt. Es ist daher nicht akzeptabel, weiteren Flächen- und damit Natur- und Bodenverbrauch ohne Umweltprüfung und Ausgleichsmaßnahmen zusätzlich zu vereinfachen und damit zu beschleunigen.“

  • Fachverbände: 13b steht im fundamentalen Widerspruch zur europäischen Bau- und Beteiligungskultur

In ihrer gemeinsamen Stellungnahme vom 25. Januar 2017 lehnten die Vereinigung für Stadt-, Regional- und Landesplanung (SRL) und der Bund deutscher Landschaftsarchitekten (bdla) den § 13b „kategorisch“ ab. Mit der Einbeziehung von Außenbereichsflächen in das beschleunigte Verfahren handele der Gesetzgeber „bedauerlich inkongruent. Er eröffne den Kommunen die Option, Außenbereichsflächen im Gemeindegebiet – also auch bei vielen kleinen Ortsteilen – einer schnellen Bebauung zuzuführen, unabhängig davon, ob jeweils akuter Wohnraummangel besteht. 

Baugebiete würden ermöglicht, die „in der Regel weit größer sein werden als die – bisher ausgleichsbedürftigen Abrundungsflächen (§ 34 Abs. 4 Nr. 3 BauGB). Dies führe zu einer nicht erwünschten und nicht hinnehmbaren weiteren Zersiedlung der Landschaft. Die Bundesregierung fördere sehenden Auges den sogenannten Donut-Effekt – die Zentren werden geschwächt, Siedlungsränder zu Lasten der Zentren entwickelt. Die Fachverbände wiesen zudem darauf hin, dass renommierte Fachjuristen und ´Planer*innen Bedenken hinsichtlich der europarechtlichen Zulässigkeit geäußert haben. Somit führe die Bundesregierung die ca. 11.000 Gemeinden in die Gefahr, EU-rechtswidrige Bauleitplanungen zu betreiben. 

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Durch das beschleunigte Verfahren entfalle die im Flächennutzungsplan erforderliche Prüfung nach Notwendigkeit und möglichen Alternativen. „Landwirtschaftliche Flächen sowie Flächen mit Bedeutung für die Erholungsnutzung und die landschaftsgerechte Gestaltung der Ortsränder können so ohne diese Prüfung in Wohnbauflächen umgewidmet werden. Dies ist ein nicht hinnehmbarer Eingriff in Deutschlands Planungs- und Baukultur. Für die Fachverbände sei es nicht nachvollziehbar, warum bei so gravierenden Entscheidungen wie der Bebauung von Außenbereichsflächen auch in größerem Umfang auf eine „Umweltprüfung als etabliertem und wirksamen Instrument zur gebündelten und qualifizierten Aufbereitung der Belange der Umwelt, des Natur- und Landschaftsschutzes für die bauleitplanerische Entscheidung verzichtet werden“ solle.  

Außerdem stehe der § 13b in einem „fundamentalen Widerspruch zur ansonsten postulierten Ausweitung von Beteiligungsrechten und einer zeitgemäßen Beteiligungskultur“. Die Streichung des baurechtlichen Ausgleichs sei weder naturschutzfachlich noch planungssystematisch zu vertreten. Sie widerspreche zudem den Zielen der Bundesregierung nach einem ambitionierten Klimaschutz, einer Anpassung an die Folgen des Klimawandels, einem Mehr an Grünflächen, einer sauberen Luft und einer Flächen schonenden Siedlungsplanung.  

Zuvor hatte die SRL in ihrer eignen Stellungnahme darauf hingewiesen, dass die Bau- und Planungsausschüsse die Rechte des Rates einschränken, wenn sie einen Bebauungsplan nach 13b aufstellen und damit automatisch die Anpassung an den Flächennutzungsplan vorwegnehmen.  

Das Fazit der SRL zeugte von guter Prognosefähigkeit: „All diese Argumente gegen die Einführung des § 13b sind umso gravierender, da zu bedenken ist, dass die zeitliche Begrenzung bis 2019 eines Tages durch die nächste Novellierung des BauGB aufgehoben werden könnte. Bislang ist noch so gut wie jede zeitlich befristete Regelung ihrer Befristung entledigt worden, da sonst der Gesetzgeber hätte eingestehen müssen, dass die Regelung verkehrt war. 

  • Umweltverbände: 13b widerspricht der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie und löst kommunale Angebotsplanungen aus

In ihrer gemeinsamen Stellungnahme vom 1. März 2017 forderten der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und der Naturschutzbund (NABU)mit allem Nachdruck die Streichung des § 13b“. Er widerspräche der „Eigenlogik des Baugesetzbuchs“ und der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie, verletze die Pflicht des sparsamen Umgangs mit Grund und Boden und werde „eine fatale Fehlentwicklung bei der Flächeninanspruchnahme“ befördern.

Innovative und nachhaltige Innenentwicklung durch Flächenrecycling, Nachverdichtung und kluge Nutzungskonzepte sollte für die Siedlungsentwicklung die Regel sein. Dabei stehe außer Zweifel, dass im Ausnahmefall auch eine maßvolle Außenentwicklung erforderlich sein könne.  

Diese setze aber unbedingt die Prüfung der damit verbundenen Eingriffe in den Natur- und Landschaftsraum voraus. „Denn gerade diese ortsnahen Flächen zählen häufig zu den ökologisch bedeutsamsten einer Kommune und als verbindendes Kernelement der Grünen Infrastruktur zwischen Innen- und Außenbereich. Hier wurden oft umfassende Eingrünungsmaßnahmen sowohl aus Gründen der Ortsbildgestaltung, der Naherholung und der Biotopvernetzung vorgenommen; Kompensationsflächen für bereits erfolgte Bebauung haben hier oftmals ihren Schwerpunkt. In Gänze haben sich daher an Ortsrändern für die Natur besonders wertvolle Flächen erhalten oder entwickelt. Angesichts der fortschreitenden Bestandsrückgänge und Verlängerung der Roten Listen Gefährdeter Arten ist eine bevorzugte Freigabe gerade dieser Flächen – vor allem ohne Prüfung und entsprechender Bewertung der Umweltauswirkungen – inakzeptabel. Auch der Verzicht auf Ausgleichsmaßnahmen für erhebliche Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes sowie der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushaltes ist daher weder inhaltlich noch planungssystematisch vertretbar“.

NABU und BUND machen zudem deutlich, dass es sich bei der Begrenzung auf einen Hektar nicht um die Plangebietsfläche handele, sondern um die bebaubare Grundstücksfläche. Je nach Bebauungsdichte würden somit Plangebiete mit einer Größe von bis zu 4 Hektar möglich. Die Umweltverbände befürchteten, dass die Befristung des §13 b bei den Kommunen einen fatalen Übereifer im Sinne einer Angebotsplanung auslösen könnten.  

  • Bauministerin vertraut auf kommunale Umsicht

Der Gesetzentwurf zur Anpassung an die europäische UVP-Richtlinie benötigte aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht die Zustimmung des Bundesrates. Der ausführliche Einspruch des Bundesrates zum 13b wurde somit im Bundestag überstimmt. § 13b trat am 13. Mai 2017 mit der Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt in Kraft. Die Ministerin Hendricks hatte nach dem Sommerstreit 2016 offenbar keine politische Unterstützung in Sachen § 13b. Petra Pinzlers ZEIT-Porträt „Barbara wer?“ lässt die Gründe erahnen.  Hendricks tröstete sich mit der zeitlichen Befristung des § 13b und vertraute auf kommunale Umsicht bei Umsetzung der gesamten Baurechtsnovelle: „Liebe Kolleginnen und Kollegen, an die Länder gerichtet möchte ich betonen, dass es um Möglichkeiten für Kommunen geht, mit denen diese verantwortlich umgehen können und das auch tun werden. Bund und Länder sollten den Kommunen diesen zusätzlichen Spielraum nicht verweigern. Ich bin sicher, dass wir den Kommunen eine solche Entscheidung zutrauen können.“ (Bundestag, 9. März 2017)  

Vertrauen verspielt?

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Doch 2018/19 haben viele Kommunen das Vertrauen in den verantwortlichen Umgang mit dem § 13b verspielt. § 13b entwickelte sich vor allem in Süddeutschland zu einem Schnäppchenparagrafen, der jenseits der Regionalplanung, abseits der Flächennutzungsplanung mit wenig Verwaltungsaufwand zusätzliches Bauland vor allem für Einfamilienhäuser ermöglichte.

Kommunen befinden sich immer noch untereinander im Wettbewerb um private und gewerbliche Steuerzahler*innen. Manch üppige Baulandangebote werden mit angeblichen stadtentwicklungspolitischen Interessen begründet. Wirtschaftswachstum ohne neue Gewerbegebiete auf der grünen Wiese, angenehme Wohnverhältnisse, ohne den Verlust von Ackerland bleiben ohne einen übergeordneten gesetzlichen Rahmen hehre Ziele.

Grundstückseigentümer*innen im Außenbereich wehrten sich selten gegen die enorme Wertsteigerung, die mit kommunaler Baulandausweisung verbunden ist. Aus einigen Dörfern kam allerdings Widerstand gegen den massiven Zuzug der Großstädter*innen. Der drohte, nicht nur das dörfliche Leben, sondern auch das Preisgefüge im Immobilienmarkt aus dem Takt zu bringen.  

  • UBA: Von Verlängerung und Verstetigung absehen

Im Juni 2020 veröffentlichte das Umweltbundesamt eine „Qualitative Stichprobenuntersuchung zur kommunalen Anwendung des § 13 b“. Die Autoren werteten 250 Bebauungspläne aus, untersuchten die rechtlichen Voraussetzungen in den Bundesländern und befragten regionale und kommunale Planer*innen. Das Umweltbundesamt empfahl „von einer Verlängerung und Verstetigung des § 13b BauGB dringend abzusehen“. § 13b schaffe kein substanziell neues Wohnbauland, das die bestehende Wohnungsnot in den Kommunen mit angespannten Wohnungsmärkten lindern könne. Stattdessen werde der § 13b vorrangig von kleinen, ländlichen Gemeindeverwaltungen mit begrenzten Personalkapazitäten genutzt, um meist kleinere Bauvorhaben mit geringer Dichte aber umfangreichen Eingriffen in den Naturhaushalt zu planen. Das Bundesamt für Naturschutz analysierte ebenfalls § 13b-Bebauungspläne und stellte fest, dass der Paragraf den Artenschutz und die Ortskernentwicklung behindere.  

Vor allem süddeutsche Dorfbürgermeister*innen nutzten den Paragrafen zur Umsetzung der renditestarken fünften Fruchtfolge – der Umwandlung von Ackerland in Bauland. Der Film „Häuserkampf“ schildert die bayerische Umsetzung des „Zersiedlungsbeschleunigers“ im Bundesbaugesetz...  


„Nüßlein hat genug Unheil angerichtet“

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Der ehemalige CSU-Bundestagsabgeordnete und stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende Dr. Georg Nüßlein hat mittlerweile mit einer Korruptionsaffäre rund um seine „Tectum Holding“ zu tun. Das „profitable Amigo-Netzwerk" scheine eine Allzweckwaffe zu sein, vermutete die Wirtschaftswoche am 6. März 2021. Inhaber Nüßlein wickele darüber Vermögensverwaltung, allgemeine Finanzberatung und offenbar auch Provisionen für staatsnahe Deals wie die Lieferung von Coronaschutzmasken für Gesundheitsministerien ab. Welche Einnahmen er mit der Tectum Holding erziele, sei unbekannt – dem Bundestag habe Nüßlein diesbezüglich keine Mitteilungen gemacht.  

Auch ohne rechtliche Bewertung ist Nüßleins öffentliches und politisches Image desaströs. Die „Schutzmaskenaffäre“ warf auch allgemeine Fragen zum Lobbyismus auf, mit dem zum Beispiel der Europäische Green deal im Sinne der Agrarindustrie die Luftreinhaltung im Sinne der Autoindustrie oder die Flächensparziele im Sinne des „Bodeninvestments“ hintertrieben wurden.  

Unter der Überschrift „MdB Nüßlein hat genug Unheil angerichtet!“ veröffentlichte der baden-württembergische Landesnaturschutzverband (LNV) am 3. Juni 2020 ein kleines Dossier zu Georg Nüßlein. Anlass für die LNV-Recherche war Nüßleins Beschwerde über den Sachverständigenrat für Umweltfragen. 

Das LNV-Fazit war eindeutig. Nüßlein habe wie kein anderer Politiker die deutsche Umweltpolitik sabotiert. Ob beim Klimapaket der Bundesregierung, beim Umweltgesetzbuch, bei der Gewässerökologie oder in der Enquete-Kommission „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität-Wege zu nachhaltigem Wirtschaften und gesellschaftlichem Fortschritt in der sozialen Marktwirtschaft"… Stets habe Nüßlein als graue Eminenz und Strippenzieher im Hintergrund auf der umweltpolitischen Bremse gestanden. Gegen Maßnahmen zur CO2 -Reduktion polemisierte Nüßlein gerne mal als „Schnapsidee zur Gängelung der Bürger“. Er nannte dies „Klimaschutz mit Augenmaß“.

Ähnlich argumentierte Nüßlein beim Bodenschutz. Immer wieder forderte er, mit steuerlichen Anreizen und Ausweisung von Bauland für Privatinvestitionen in den Wohnungsbau zu sorgen. Der SPD warf er vor, bei der Wohnungspolitik zu sehr auf den sozialen Wohnungsbau in Großstädten zu schauen. Wohnungsbauförderung dürfe - so Nüßlein-  nicht auf eine bestimmte "Gebietskulisse" beschränkt werden. Wohneigentum müsse auch in ländlichen Räumen und in Mittelstädten gefördert werden. Nüßlein ist Aufsichtsrat der Sfirion AG, einem inhabergeführten Ingenieurbüro für Bauprojekte. Motto „Gemeinsam für die Zukunft bauen.“  

NRW: Mit 13b Entwicklungen entfesseln?

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„Für die Zukunft bauen“ wollte auch die nordrhein-westfälische Entfesselungskoalition. CDU und FDP versprachen in ihrem Koalitionsvertrag, den Kommunen mehr „Flexibilität und Entscheidungskompetenzen bei der Flächenausweisung“ zu geben, das Bauen schneller zu ermöglichen und die Wohneigentumsquote zu erhöhen, zum Beispiel durch einen Freibetrag bei der Grunderwerbssteuer. Doch diese Idee ist mittlerweile im Rahmen der bundesdeutschen Wohnungspolitik „unter die Räder gekommen“.  

Am 12. Dezember 2018 beantragte die AFD-Fraktion einen schriftlichen Bericht über die Umsetzung des § 13b in NRW.  In ihrer kurzen Antwort beschrieb die Ministerin Ina Scharrenbach den § 13b. Sie stellte fest, dass keine Statistik über die Anzahl von Bebauungsplanverfahren differenziert nach Verfahrensarten bekannt sei und dass auch keine entsprechende Berichtspflicht bestehe. Dennoch gelangte sie zu dem Schluss, dass die Regelungen zum beschleunigten Verfahren „äußerst positiv im Hinblick auf die Schaffung von Wohnraum“ seien. Eine Verlängerung des § 13b BauGB über das Jahr 2019 hinaus sei sinnvoll. Daher setze sich die Landesregierung dafür ein, dass diese Regelung über das Jahr 2019 hinaus verlängert werde. „Sie ist eine Erleichterung für unsere Städte und Gemeinden, um dringend benötigten Wohnraum zu schaffen.“  

Im Ausschuss für Heimat, Kommunales, Bauen und Wohnen stellte Staatssekretär Dr. Jan Heinisch (Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung am 1. Februar 2019 lakonisch fest, dass es sich bei der Stellungnahme um eine abstrakte Bewertung der Vorschrift handle. Bekanntermaßen sei in Nordrhein-Westfalen Bauland kaum verfügbar. Das könne man auch an den Baulandpreisen und den Bauaktivitäten ablesen. Außerdem wisse jeder, der sich kommunalpolitisch engagiere, um die Komplexität und Langwierigkeit von klassischen Bebauungsplanverfahren.  

Im Ausschuss verkündete der FDP-Abgeordnete Stephen Paul, er habe aus verschiedenen Regionen des Landes gehört, dass die regionalen Planungsbehörden die Kommunen nicht gerade ermutigten, den § 13b anzuwenden. Daher fordere er im Namen der CDU/FDP-Fraktionen die Landesregierung dazu auf, an die Bezirksregierungen und die Kommunen das Signal zu senden, dass man vom § 13b sehr wohl Gebrauch machen könne. Auch in diesem Bereich könne man noch Entwicklungen „entfesseln“.  

Welch negative Entwicklungen und Kollateralschäden entfesselt werden, ist mittlerweile vielfach dokumentiert. Dennoch: Neues Bauland auszuweisen anstatt Neuland in der Boden- und Flächenpolitik zu betreten,  ist politisch bequemer.  

In Bayern kamen - laut Focus online - die meisten Bebauungspläne nach 13b zustande. Dort wurden bis 2019 genau 545 Bebauungspläne nach dem 13b aufgestellt – für 1345 Einfamilienhäuser und 144 Doppel- beziehungsweise Zweifamilienhäuser. Mehrfamilienhäuser wurde hingegen nur 53 mal realisiert.

  • Einfamilienhaus – freies Wohnen für freie Bürger*innen?

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Könnte das Einfamilienhaus zu dem werden, was früher "freie Fahrt für freie Bürger" war: eine ideologische Ausnutzung menschlicher Bedürfnisse und eine Vereinfachung komplexer Gemengelagen aus Naturwissenschaften, Eigentumsrechten und zweifelhafter Wirtschaftstheorie?  Der grüne Fraktionsvorsitzende Anton Hofreiter  löste eine „Verbotskampagne“ aus, als er im SPIEGEL-Interview am 13. Februar 2021 den Sinn von Einfamilienhäusern in Frage stellte.  

Anstatt mit § 13b das Einfamilienhaus auf dem Lande zu fördern, sind neue Leitbilder fürs Wohnen angesagt. „Uns fehlen Bäume, aber keine frei stehenden Gebäude aus Beton und Stein, in denen dann durchschnittlich gerade mal vier Leute wohnen“, meinte die Stuttgarter Wohnsoziologin Christine Hannemann im SPIEGEL-Interview am 13. März 2021.

Es sei „ökologischer Wahnsinn und auch sozial fragwürdig“, dass das Einfamilienhaus durch Baukindergeld, Pendlerpauschale und andere Steuervorteile gefördert werde wie keine andere Wohnform. Es werde propagiert, dass sich Wohneigentum als Altersvorsorge eigne, obwohl es aus normaler Erwerbsarbeit kaum noch finanzierbar sei.  

Anton Hofreiter differenziert: Wohneigentum in der Stadt sei für die allermeisten Menschen unerschwinglich. „Dafür brauchte man eine wirklich völlig andere Lohnstruktur. Die Hälfte der Menschen in Städten wie Berlin oder Hamburg verdient so wenig, dass sie Anspruch auf eine Sozialwohnung hat. Auf dem Land ist das etwas anderes.“  Hofreiter warnt „In schrumpfenden Gegenden verlieren die Häuser an Wert. Das Haus als Rentengarantie ist dort ein gefährlicher Mythos.“  

Es sei ein Fehler, dass Bund, Länder und Kommunen ihren Grund und Boden privatisieren und ihn zu Höchstpreisen verkaufen. Stattdessen sollte die Politik mehr Baugenossenschaften mit gemeinwohlbasierten Konzepten fördern, meint Christine Hannemann. 

In Deutschland liegt ungenutztes Bauland für über 700.000 Wohnungen brach. Das zu mobilisieren, ist eine größere politische Herausforderung als im vereinfachten Verfahren Bauland auf der grünen Wiese auszuweisen.  

Das sah offenbar auch Ina Scharrenbach so. Doch diese Herausforderung wollte sie umgehen. In ihrer Bundesratsrede zum Baulandmobilisierungsgesetz am 18. Dezember 2020 ging sie auf Distanz zur Brachflächenmobilisierung: „Und wenn man es ganz streng nehmen würde, dann müsste man sagen: 'Es gibt einen einzigen Paragrafen in diesem Gesetzentwurf, der Bauland schafft, und das ist der § 13b.' Den gab es schon mal, er war befristet, der Deutsche Bundestag hat ihn auslaufen lassen. Wir haben uns in der Länderkammer nicht auf eine Fortsetzung verständigen können, und jetzt wird er wieder vorgetragen.“

Daran hatte Ina Scharrenbach mitgewirkt. Als Mitglied der Baulandkommission hatte sie mit dafür gesorgt, dass ein Satz – ohne Begründung – in den Abschlussbericht vom Juli 2019 gelangte. Er findet sich auf Seite 9:  „Die Baulandkommission empfiehlt die Verlängerung des § 13b BauGB bis zum 31.12.2022 und eine begleitende Evaluierung“.  

So konnte Ministerpräsident Armin Laschet am 12. November 2019 den § 13b wieder aufgreifen. Mit der Vorlage 17/2690 unterrichtete Ministerpräsident Armín Laschet den Landtagspräsidenten und den Vorsitzenden des Hauptausschusses über die nordrhein-westfälische Bundesratsinitiative zur Verlängerung des § 13 b. Begründung: Die Herausforderungen zur Schaffung neuen Wohnraums dauerten weiterhin an, bestehende Möglichkeiten sollten nicht wegfallen und die Baulandkommission habe die Verlängerung von § 13 b BauGB um drei Jahre empfohlen… 

  • Europarecht: Umweltverträglichkeitsprüfung 
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Am 14. April 2020 urteilte der baden-württembergische Verwaltungsgerichtshof über die Zulässigkeit des Bebauungsplans Oberer Kittel/Wüstes Stück in der Gemeinde Gaiberg und stellte dabei im ersten Leitsatz fest: „§ 13b BauGB ist mit Art. 3 RL 2001/42/EG vereinbar.“ 

Zwar habe der Gesetzgeber beim § 13b BauGB nicht detailliert dargelegt, warum von einer Umweltprüfung abzusehen sei. § 13b sei jedoch im Zusammenhang mit § 13 a eingeführt worden: „Der Gesetzgeber bringt damit zum Ausdruck, dass die in der Gesetzesbegründung ausführlich dargelegten Gründe für das Absehen von einer Umweltprüfung bei einem Bebauungsplan nach § 13 a BauGB auch für einen solchen nach § 13 b BauGB gelten“. Damit könne sich Deutschland auf Art.3 Abs. 4 der Richtlinie berufen. Absatz 5 Satz 1 dieser Norm sehe nämlich vor, dass die Mitgliedstaaten entweder durch Einzelfallprüfung oder durch Festlegung von Arten von Plänen und Programmen oder durch eine Kombination dieser beiden Ansätze bestimmen, ob die Pläne oder Programme voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen haben.

Eine umfangreiche  Beschwerde der UVP-Gesellschaft vom 15. September 2017 an die Europäische Kommission ist noch nicht entschieden. Sie wurde unter dem Aktenzeichen CHAP(2017)03197 registriert und befindet sich in der Prüfung. Die Kommission hat dann zu entscheiden, ob sie ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland einleitet.

Bauen im Außenbereich hat meist erhebliche Umweltauswirkungen. § 13b befreit die Bebauungspläne von den europarechtlichen Vorschriften zur Umweltverträglichkeitsprüfung. Jedoch verpflichtet der Artikel 3 Absatz 5 der Europäischen Richtlinie über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme (2001/42/EG) die Mitgliedsstaaten zur Einhaltung der Richtlinie bei Plänen und Programmen, die erhebliche Umweltauswirkungen haben. Daher zweifeln namhafte Stimmen aus Wissenschaft und Praxis an der europarechtlichen Zulässigkeit des § 13b BauGB.  

  • Baulandmobilisierungsgesetz - Kühn: "Mir bleibt die Spucke weg"

Am 7. Mai 2021 verabschiedete der Deutsche Bundestag das Baulandmobilisierungsgesetz.  Der zuvor unter "Drucksache 19/294009" gestellte Antrag der Grünen, die Verlängerung des § 13 b aus dem Gesetzentwurf herauszunehmen, war erfolglos. In der namentlichen Abstimmung votierten lediglich die grünen und linken Abgeordneten für die Herausnahme. 

Zuvor hatte Chris Kühn,  der baupolitische Sprecher der grünen Bundestagsfraktion,  für eine lebhafte Debatte gesorgt. Er thematisierte den Streit innerhalb der Großen Koalition, der sich zu einem Trauerspiel entwickelt habe, das dem Baugesetzbuch unwürdig sei. Die Wiederrichtung des 13b ermögliche es erneut, Flächennutzungspläne zu umgehen -  ohne Umweltverträglichkeitsprüfung, ohne Bürgerbeteiligung, ohne Ausgleichsflächen. Das hintertreibe die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie und ihre Flächenreduktionsziele.  Umweltpolitische Versprechen würden gebrochen. Kühn: "Da bleibt mir die Spucke weg in einer Zeit, in der die SPD die Umweltministerin stellt.

Udo Schiefner, SPD-Bundestagsabgeordneter für den Kreis Viersen,  hatte noch am 3. Februar 2021 angekündigt,  dass seine Fraktion sich dafür stark machen möchte, den § 13b auf Regionen mit angespannten Wohnungsmärkten zu begrenzen. Ob sich die SPD damit durchsetzen könne, hänge vom öffentlichen Druck auf die CDU/CSU ab. Dass die  zugunsten der Artenvielfalt und des Bodenschutzes vom „Nüßlein-Paragrafen“ abrücken würde,  war bereits damals nicht zu erkennen.  Chris Kühn spitzte zu: "Die  CDU handelt nach dem Motto 'Wer seine Heimat liebt, versiegelt sie."'

Ähnlich wie seine Parteikollegin und Exministerin Barbara Hendricks im Jahre 2017 setzte Schiefner im Februar 2021 auf die kommunale Vernunft: Letztlich liegt die Planungshoheit verfassungsgemäß bei den Kommunen. Sie entscheiden vor Ort, was mit dem Boden passiert. Daher kann ich nur appellieren, auch wenn 13b verlängert werden sollte, die Ortskerne zu stärken und nicht auf die grüne Wiese auszuweichen.“  

Am/38: 13b-Baulandschnäppchen für 30 Dilkrather*innen?

Im Viersener Westkreis fand der alte § 13b  unter anderem in Nettetal, Niederkrüchten und Schwalmtal Resonanz. 

Die Nettetaler Verwaltung entdeckte den Paragrafen, um auf die „Schnelle“ mit Hilfe des Wohngebietsplan „Ka-277“ den Kaldenkirchener Kindergarten "Am Trappistenweg" zu ermöglichen.  

Der Niederkrüchtener Gemeinderat sah mit „Nie-79“ die Chance, dem Wunsch einer Erbengemeinschaft nach Bauland rund um die Pannenmühle zu folgen. Vor § 13b war der Plan an der fehlenden Ausgleichsfläche gescheitert. Mit § 13b war keine Ausgleichsfläche mehr erforderlich.  

Einen speziellen Weg beschritt die Gemeinde Schwalmtal. Sie fragte zunächst bei der  Bezirksregierung Düsseldorf nach, welche Maßstäbe sie für § 13b-Verfahren anlegen würde. Der in Dilkrath lebende Chefplaner Bernd Gather erfuhr, dass im Rahmen der Eigenentwicklung eine Wohneinheitensteigerung um ca. 3% in -  an den ÖPNV angebundenen - Ortslagen ab 400 Einwohner*innen möglich sei, dabei jedoch Flickenteppiche aus vielen kleinen Flächen zu vermeiden seien. Der Bedarfsermittlung seien die tatsächlichen Baulücken gegenüberzustellen.  

Die Schwalmtaler Gemeindeverwaltung erstellte daher am 28. Mai 2019 eine Tabelle für die Schwalmtaler Außenbereichsortslagen über 400 Einwohner*innen:                      

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Die Tabelle zeigt, dass alle im Außenbereich vorhandenen Baulücken eine  bedarfsgerechte Eigenentwicklung ermöglichen, wenn man die üblichen Kriterien "demografische Entwicklung" und "Ersatzbedarf" zugrunde legt.  

Dennoch beschloss der Gemeinderat am 9. Juli 2019 einstimmig, dass die Verwaltung über Bürgerversammlungen für Dilkrath, Vogelsrath, Lüttelforst und Hehler die Menschen ermitteln sollte, die sich kurzfristig und verbindlich festlegen konnten, Häuser auf neu zu schaffendem Bauland im Umkreis von 2 km ihrer Wohnstätte zu bauen.  

Das Ziel des Gemeinderats: Den Schnäppchenparagrafen 13 b fristgerecht zu nutzen, um Bauinvestitionen  und auf der grünen Wiese zu forcieren. Die Versammlungen fanden am 3. und 4. September 2019 im Waldnieler Bürgerhaus statt. Für Dilkrath fanden sich 30 Bauwillige.   

Daher beschloss der Planungsausschuss der Gemeinde am 1. Dezember 2019 einstimmig,  ohne Umweltprüfung und Öko-Ausgleich im Wasserschutzgebiet auf der Grünfläche an der St. Gertrudis Kirche  Bauland für ca. 17 Grundstücke zu schaffen.

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Dilkrather Modell

Zweifel am Schwalmtaler Weg der Bedarfsermittlung ließ der Gemeinderat nicht aufkommen. In einer einstimmig verabschiedeten Stellungnahme behauptete er, dass das Bewerberfahren belastbar nachgewiesen habe, dass das Planverfahren der natürlichen Bevölkerungsentwicklung diene. Die Dilkrather Infrastruktur sei so gut, dass es sich bei der Sektion um eine Ortslage mit zukunftsfähiger Weiterentwicklungsmöglichkeit handele. Was er mit guter Infrastruktur meint, ließ der Gemeinderat offen. Lebensmittelgrundversorgung, ÖPNV-Anbindung oder eine VHS-Zweigstelle sind nicht (mehr) vorhanden. Der soziale Zusammenhalt ist traditionell stark.  

Am/38 reicht aber nicht, um allen Dilkrather Bauwilligen ein neues Baugrundstück an der Kirche zur Verfügung zu stellen. Das Gelände und die geplante Stichstraße legen daher nahe, dass die Gemeinde Schwalmtal eine schrittweise  Erweiterung des neuen Siedlungsgebiets anvisiert. Mit seinem Beschluss vom 4. Mai 2021 hält sich der Schwalmtaler Gemeinderat diese Option offen: "Sollten sich Erfordernisse zur Umsetzung weiterer Planungen in Dilkrath ergeben, so wären diese in jedem Einzelfall zu begründen. Dies ist jedoch kein Gegenstand des vorliegenden Verfahrens und kann zum aktuellen Zeitpunkt nicht vorhergesehen werden."

Die Gemeinde Schwalmtal setzt auch in Zukunft auf den Paragrafen § 13b  und will dabei - nach einem für den 22. Juni 2021 vorgesehenen Ratsbeschluss - den  fehlenden Öko-Ausgleich außerhalb der Regelungen des Baugesetzbuchs mit freiwilligen Maßnahmen kompensieren. 

Die Rheinische Post vom 6. Januar 2021 meldete, dass die im Rahmen von Am/38 aufgewerteten Grundstücke laut Vergabekriterien ausschließlich an Bauinteressenten aus Dilkrath vergeben werden sollen. 

Am/38 sagt jedoch nichts über die Kriterien für das Dilkrather Einheimischenmodell aus. Der Gemeinderat kommentiert dies ebenso einstimmig wie lakonisch: "Die Bestimmung von Vergabekriterien für Baugrundstücke, die Bestimmung der Grundstückskaufpreise, die Bestimmung von vertraglichen Regelungen mit den Kaufinteressenten und Vorkaufsrechte sind nicht Gegenstand der Bauleitplanung. Welche Baumöglichkeiten den anderen Schwalmtaler Bürger*innen nach Berichtigung des FNP bleiben, ist nicht Gegenstand dieses Bebauungsplanverfahrens."

Am/38 und die öffentliche Ankündigungen der Gemeinde lassen Fragen offen: Welche Schwalmtaler*innen können die Grundstücke kaufen? Werden die Grundstücke zum Verkehrswert oder zu Sonderpreisen verkauft? Gibt es bereits vertragliche Regelungen mit den 30 Bauwilligen? Sind besondere Vorkaufsrechte festgelegt? Welche Rolle spielte das "günstige Betongold für  Dilkrather*innen für die Anwendung des 13b? Wer ist Dilkrather*in?

Am/38 enthält auch was Historisches, weil er das Schwalmtaler Zentrenkonzept in Frage stelltDer Schwalmtaler Gemeinderat erklärt  in der Begründung zum Bebauungsplan: "Der Flächenbedarf für die aktuelle Wohnraumnachfrage kann innerhalb des „Allgemeinen Siedlungsbereiches“(ASB) der Gemeinde, welcher die Ortslagen Waldniel und Amern umfasst, nicht mehr gedeckt werden, da der überwiegende Teil der für Wohnnutzungen geeigneten Flächen bereits in Anspruch genommen wurde." 

Damit verabschiedete sich der Rat „auf die Schnelle“ von wesentlichen Regelungen im Flächennutzungsplan der Gemeinde (FNP). Dort war fixiert, dass Schwalmtal eine maßvolle Siedlungsentwicklung auf Amern und Waldniel konzentrieren wollte, um dort bis 2020 attraktiven Wohnraum für ca. 20.500 Einwohner*innen zu garantieren. Für die kleineren Ortslagen war keine bauliche Entwicklung vorgesehen, die über Nachverdichtung und Arrondierung des Bestandes hinausgeht. In Schwalmtal leben 19.044 Menschen.

Auch das am 16. Juni 2015 verabschiedete Leitbild für die Gemeinde Schwalmtal bestätigte: "Auch in Zukunft wird ein besonderer Fokus auf die Wiederbelebung der Ortskerne rund um die Schwalm gelegt, die sowohl die Bürgerinnen und Bürger als auch Touristen durch eine ansprechende Anzahl und Vielfalt der vorhandenen Einkaufsstätten begeistern sollen."

Sinnvestieren im Außenbereich?

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§ 13b war kein "einmaliges Schnäppchen", das nur 2019 möglich war. Mit der am 7. Mai 2021 verabschiedeten Baurechtsnovelle wurde der 13b wieder belebt: "Bis zum Ablauf des 31. Dezember 2022 gilt § 13a entsprechend für Bebauungspläne mit einer Grundfläche im Sinne des § 13a Absatz 1 Satz 2 von weniger als 10 000 Quadratmetern, durch die die Zulässigkeit von Wohnnutzungen auf Flächen begründet wird, die sich an im Zusammenhang bebaute Ortsteile anschließen. Das Verfahren zur Aufstellung eines Bebauungsplans nach Satz 1 kann nur bis zum Ablauf des 31. Dezember 2022 förmlich eingeleitet werden; der Satzungsbeschluss nach § 10 Absatz 1 ist bis zum Ablauf des 31. Dezember 2024 zu fassen.“ 

So könnte Am/38 trotz des wegweisenden  Bundesverfassungsgerichtsurteils zum Art. 20 a GG und trotz aller Nachhaltigkeitsstrategien zu einem Vorreiter für schnelles nicht nachhaltiges Betongold im Außenbereich werden. 

Am/38 schafft zweifelhafte Geldanlagemöglichkeiten, 

  • die konträr zu allen ökologischen Schutzgütern stehen, 
  • die die Landschaft zersiedeln und zerfransen, 
  • die die Infrastruktur zu Lasten der Allgemeinheit verteuern, 
  • die die Abhängigkeit vom Auto fördern, 
  • die die strategische Steuerung der städtebaulichen Entwicklung Schwalmtals gefährden
  • die nach Ende der Ausnahmefristen zukünftige Bebauungsplanänderungen an der Dilkrather Kirche erschweren
  • die die europäische Baukultur und den Naturschutz aushebeln, 
  • die allen Flächensparzielen zuwiderlaufen, 
  • die den zukünftigen Schwalmtaler Rückbaubedarf erhöhen, 
  • die Nachhaltigkeitsabwägungen obsolet machen sollen

Es kommt auf den Buchstaben an. Auch vor Geltung des § 13b BauGB wurden neue Wohngebiete im Außenbereich gebaut. Dies geschah allerdings mit mehr Bürgerbeteiligung der Bewohnerinnen und Bewohner, mit mehr Umweltschutz und mit mehr Ausgleich für die versiegelten Flächen. 

Warum der Rat der Gemeinde Schwalmtal auch in Zukunft auf die Nachhaltigkeitsregeln des Baugesetzbuchs verzichten möchte, ist erklärungsbedürftig. Kommunen und Bundesländer, die auf Nachhaltigkeit Wert legen, raten von einer Anwendung des 13b ab.  

Wohnungsbau mit § 13b im Außenbereich birgt weit mehr Risiken als Wohnungsbau mit § 13a im Innenbereich. § 13b nimmt gerade den ländlichen Gemeinden den Anreiz, den tatsächlichen Neubedarf an Wohnungen in ihre langfristige Siedlungsplanung mit einzubeziehen und sich im Rahmen der Flächennutzungsplanung gemeinsam mit ihren Bürger*innen auf eine Zukunftsentwicklung festzulegen. 

Am 26. März 2021 präsentierten die Grafschafter Nachrichten ein Anzeige mit einem Interview mit Heiko Lind, dem Leiter der Wertpapierabteilung und stellvertretenden Vorstand der Kreissparkasse Nordhorn. Thema: nachhaltige Geldanlagen. Lind betonte, dass es es bei der Geldanlage nicht mehr nur um Profit gehe, sondern auch um die Frage, welche sozialen und ökologischen Folgen ein Investment habe. Heiko Lind: "'Sinnvestieren' bedeutet, das Geld nicht für uns, sondern auch für unsere Kinder und Enkelkinder nachhaltig arbeiten zu lassen.“

Könnte sich in diesem Sinne das Baulandschnäppchen von heute als teurer Irrtum von morgen erweisen?


Literatur/Quellen 

Baulandkommission „Nachhaltige Baulandmobilisierung und Bodenpolitik“: Empfehlungen auf Grundlage der Beratungen in der Kommission vom 2. Juli 2019

Bericht   der Landesregierung für die Sitzung des. Ausschusses für Heimat, Kommunales,   Bauen und Wohnen am 18. Januar 2019 zum Tagesordnungspunkt: „Sachstand zur Umsetzung des‘ neugeschaffenen § 13b Baugesetzbuch zur Beschleunigung der Aufstellung von Bebauungsplänen für Wohnnutzungen

Bundesrat–Drucksache 806/16 v. 10.02.2017: Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2014/52/EU im Städtebaurecht und zur Stärkung des neuen Zusammenlebens in der Stadt

Bundesrat: Stenografischer Bericht 998. Sitzung vom 18. Dezember 2020

Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände: Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der   Richtlinie 2014/52/EU im Städtebaurecht und zur Stärkung des neuen  Zusammenlebens in der Stadt, BT-Drs. 18/10942 Einladung zur öffentlichen  Anhörung am 15.02.2017

Bündnis 90/Die Grünen: Klarstellung Interview Anton Hofreiter. Pressemitteilung vom 13. Februar 2021

CSU: Beschlussbuch zum Parteitag 2015, 20. und 21. November 2015

Daniela Buschkamp: Neue Baugebiete: So wächst Schwalmtal – RP v. 5. Januar 2021

Daniela Buschkamp: Neues Baugebiet in Dilkrath geplant – RP v. 29. Juni 2020

Der Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen: Entwurf eines Gesetzes zur   Änderung des § 13 b Baugesetzbuch (Baugesetzbuchänderungsgesetz – BauGBÄG) –   Vorlage 17/2690 vom 12. November 2019

Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 221. Sitzung, Donnerstag, 9. März 2017 (18/221)

Deutscher Bundestag: Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der  Abgeordneten Christian Kühn (Tübingen), Peter Meiwald, Matthias Gastel,  weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache  18/1932 vom 15. Juli 2014

Deutscher Bundestag: Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2014/52/EU im Städtebaurecht und zur Stärkung des neuen Zusammenlebens in der Stadt. Drucksache 18/10942 vom 23.01.2017

Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 216. Sitzung, Freitag, 27. Januar 2017  (18/216)

Deutscher Bundestag: Gesetzentwurf der Bundesregierung Entwurf eines Gesetzes zur Mobilisierung von Bauland (Baulandmobilisierungsgesetz). Drucksache 19/24838 vom 30. November 2020

Deutscher Bundestag:  Drucksache 19/29409 19. Wahlperiode: Änderungsantrag der Abgeordneten Christian Kühn (Tübingen), Daniela Wagner, Britta Haßelmann, Stefan Schmidt, Markus Tressel, Lisa Badum, Harald Ebner, Matthias Gastel, Kai Gehring, Stefan Gelbhaar, Dr. Bettina Hoffmann, Sylvia Kotting-Uhl, Oliver Krischer, Renate Künast, Steffi Lemke, Dr. Ingrid Nestle, Lisa Paus, Dr. Julia Verlinden, Gerhard Zickenheiner und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu der zweiten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung – Drucksachen 19/24838, 19/26023, 19/29396 – Entwurf eines Gesetzes zur Mobilisierung von Bauland (Baulandmobilisierungsgesetz) vom 5.Mai 2021

Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2014/52/EU im Städtebaurecht und zur Stärkung des neuen Zusammenlebens in der Stadt ‒ Drucksache 18/10942 ‒ Stellungnahme des Bundesrates und Gegenäußerung der Bundesregierung, Drucksache   18/11181 vom 15.2.2017

Erlass zur Konkretisierung des Landesentwicklungsplans Nordrhein-Westfalen –Wohnen, Gewerbe und Industrie vom 17. April 2018

Focus-online vom 7. Mai 2021: Katharina Müller: Mehr Bauland: Wird der Traum vom Haus im Grünen jetzt für alle erschwinglicher?

Gemeinde Schwalmtal Niederschrift der 07. Sitzung des Rates der Gemeinde vom 16. Juni 2015

Gemeinde Schwalmtal: Begründung zum Bebauungsplan Am/38 „Pastorskamp“. Dezember 2020

Gemeinde   Schwalmtal: Vorlage Nr. 123/21 1. Ergänzung vom 29. April 2021

Gemeinde Schwalmtal: Niederschrift der 4. Sitzung des Rates der Gemeinde Schwalmtal vom 4. Mai 2021

Gemeinde Schwalmtal: Vorlage 133/21 vom 29. April 2021: Umsetzung von ökologischen Ausgleichsmaßnahmen; hier: Nutzung des Ökokontos zum Ausgleich von Planverfahren nach § 13a und § 13b BauGB

Gespräch mit Anton Hofreiter: „Sie sorgen für Zersiedelung.   Der SPIEGEL Nr. 7 vom 13. Februar 2021, S. 30 – 31

Gespräch mit Christine Hannemann: Viel Platz macht nicht   glücklich. DER SPIEGEL Nr. 11 vom 13. März 2021, S. 48 – 50

Grafschafter Nachrichten: Kreissparkasse: „Sinnvestieren“ ist das neue Investieren. 26. März 2021

Jana Bovet, Elisabeth Marquard: Wie ernst ist es uns mit der Eindämmung des  Flächenverbrauchs? In Earth System Knowledge Platform (Hrsg.),   ESKP-Themenspezial Biodiversität im Meer und an Land. Vom Wert biologischer  Vielfalt. Potsdam: Helmholtz-Zentrum Potsdam, Deutsches  GeoForschungsZentrum GFZ, Februar 2020

Jehling, M.; Albrecht, J.; Schaser, C.: Je schneller, desto besser? – Chancen und Risiken beschleunigter Verfahren in der Bauleitplanung. In: Meinel, G.; Schumacher, U.; Behnisch, M.; Krüger, T. (Hrsg.): Flächennutzungsmonitoring XI.  Flächenmanagement – Bodenversiegelung – Stadtgrün. Berlin: Rhombos, IÖR  Schriften 77 (2019), S. 65-76.

Kommission   Bodenschutz beim Umweltbundesamt (KBU) Kommission Nachhaltiges Bauen am Umweltbundesamt (KNBau): Abschaffung des § 13 b BauGB – November 2017

Landtag Nordrhein-Westfalen: Ausschussprotokoll Apr17/518 vom 1. Februar 2019

Petra Pinzler: Barbara wer? DIE ZEIT vom 14. Juli 2016 (Registrierung erforderlich)

Richtlinie 2001/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Juni 2001 über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme 

Richtlinie 2014/52/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 zur Änderung der Richtlinie 2011/92/EU über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten 

Stellungnahme der Vereinigung für Stadt-, Regional- und Landesplanung zum Entwurf eines Gesetzes zur Mobilisierung von Bauland vom 3. Juli 2020

Umweltbundesamt  (Hg.): Qualitative Stichprobenuntersuchung zur kommunalen Anwendung des § 13b   BauGB. Ergänzungsbericht zur Evaluierung der praktischen Anwendung der neuen Regelungen der BauGB-Novellen 2011/2013 zur Förderung einer klimagerechten und flächensparenden Siedlungsentwicklung durch die kommunale Bauleitplanung   anhand von Fallstudien. Texte 93/2020. Juni 2020

UVP-Gesellschaft: Beschwerde vom 15.9.2017

VGH Baden-Württemberg Beschluß vom 14.4.2020, 3 S 6/20

Wissenschaftliche Dienste: Aussetzung der Umweltverträglichkeitsprüfung nach § 13b BauGB. WD 7 – 3000 – 017/20

Wissenschaftliche Dienste: Einbeziehung von Außenbereichsflächen in das beschleunigte Verfahren. WD 7 – 3000 – 001/17


    

  

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