niederrheinisch - nachhaltig 

05.05.2024

Schwalmtal und der natürliche Klimaschutz

20210401_105544.jpg„Tolle Neuigkeiten für Schwalmtal. Mein Einsatz zahlt sich aus“, postete der Kempener SPD-Bundestagsabgeordnete Udo Schiefner am 10. April 2024 auf seiner Facebookseite. (1) Auch Martin Plum, CDU-Bundestagsabgeordneter aus dem Wahlkreis Viersen, freute sich am selben Tag sehr darüber, dass die Gemeinde Schwalmtal 886.312 Euro aus einem Förderprogramm erhält (2) bzw. erhalten könne. 

Steffen Bilger, CDU-Bundestagsabgeordneter aus dem Wahlkreis Ludwigsburg, hatte den Haushaltsansatz mit dem  Förderprogramm am 1. Februar 2024 als ein „Programm zur Demotivierung des ländlichen Raums“ umschrieben. Es sei Zeichen einer grünen Politik des Misstrauens, des Generalverdachts und der moralischen Belehrung.(3) Absurditäten gehören nicht selten zur Dialektik einer Parteipolitik zwischen Brüssel, Berlin und „vor Ort“.
 
Zum Hintergrund: Der Schwalmtaler Gemeinderat hatte am 27. September 2023 die Verwaltung beauftragt, Bereiche der Fußgänger- und Radwege am  Buschweg, an der Dülkener Straße und in Birgen  nicht zu sanieren, sondern sie vollständig zu entsiegeln und ökologisch aufzuwerten. Sie seien in einem sehr schlechten Zustand, die vorgesehenen Entsiegelungsmaßnahmen entsprächen in Teilen den Zielen des Landschaftsplans Grenzwald/Schwalm und erzeugten Ökopunkte für gesetzlich vorgeschriebene Ausgleichsmaßnahmen.

Unter dem Vorbehalt einer Finanzierung durch Fördermittel beschloss der Rat einstimmig, die geschätzten Gesamtkosten für die Entsiegelungsmaßnahmen in Höhe von rund 215.000 Euro in den Haushaltsplan der Gemeinde aufzunehmen. (4)

Die  Schwalmtaler Fördermittelmanagerin Angelika Steinhäuser (5) nutzte daher im Oktober 2023 das sog. Skizzeneinreichungsfenster der ZUG (6) (Bundesgesellschaft Zukunft-Umwelt-Gesellschaft) und bewarb  sich im Rahmen des Förderprogramms „Natürlicher Klimaschutz in kommunalen Gebieten im ländlichen Raum“ (7) um ein Projekt , das die vom Gemeinderat beschlossenen Entsiegelungsmaßnahmen mit einer vom Schwalmverband und dem Ingenieurbüro Andreas Hermanns geplanten Maßnahme für den Waldnieler Kaiserpark kombiniert. Dabei sollen ein Teil des Parkplatzes an der Lange Straße und weitere Wege des Kaiserparks entsiegelt und „zahlreiche standortgerechte, klimaresiliente und nicht invasive Bäume“ gepflanzt werden.

Gleichzeitig soll der Kranenbach zur Stärkung des naturnahen Wasserhaushalts und zum natürlichen Regenwasserrückhalt renaturiert werden. Zusammen mit einer neuen Brückenverbindung und der Ausgestaltung von Muldenböschungen entstehe so ein vielfältiger Naturerfahrungsraum. So beschreibt es eine kurzfristig dem Ausschuss für Umwelt, Klima und Nachhaltigkeit am vorgelegte Tischvorlage. (8) Die Gesamtkosten der Maßnahmen betragen ca. 1.107.890 Euro, von denen 886.312 Euro aus den Fördermitteln des Bundesumweltministeriums stammen. Sie tragen wohl auch zum Hochwasser- und Hitzeschutz in der Gemeinde bei.

Das Schwalmtaler Projekt tauchte am 10. April 2024 als Nr. 33 auf der vom Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestags ausgewählten Liste von insgesamt 122 Projekten auf, die im Rahmen der Förderrichtlinie „Natürlicher Klimaschutz in kommunalen Gebieten im ländlichen Raum“ gefördert werden sollen. (9)

Die Gemeinde Schwalmtal ist nun aufgefordert,  bei der ZUG in der sog. zweiten Stufe einen formellen Antrag auf Förderung einzureichen. Ziel ist, dass das Schwalmtaler Projekt noch 2024 bewilligt werden und schnellstmöglich starten kann.

Das Förderprogramm ist Teil des am 29. März 2023 vom Bundeskabinett verabschiedeten “Aktionsprogramms Natürlicher Klimaschutz” (ANK) (10) (11). Es sollte ursprünglich mit 4 Mrd. Euro unter anderem aus den für den Klima- und Transformationsfonds (KTF) umgewidmeten Corona-Kreditermächtigungen in Höhe von 60 Milliarden Euro finanziert werden.

Nachdem das Bundesverfassungsgericht am 15. November 2023 in seinem viel diskutierten Urteil zur „Schuldenbremse“ (12) den Nachtragshaushalt 2021 für nichtig erklärt hatte, musste auch das ANK-Programm umstrukturiert und gekürzt werden.  Näheres hat Stephan Piskol, Referent für Renaturierung und natürlicher Klimaschutz beim NABU in seinem Blog vom 14. Februar 2024 beschrieben. (13)

Das Programm „Natürlicher Klimaschutz in kommunalen Gebieten im ländlichen Raum“ fördert mit insgesamt knapp 200 Millionen Euro die Begrünung, ökologische Aufwertung, Vernetzung oder Renaturierung von öffentlichen Flächen, die Anlage von Wegrainen und Säumen mit Hecken, Gehölzen und Alleen, Maßnahmen zum Wasserrückhalt in der Landschaft und zur Renaturierung von Fließ- und Stillgewässern und die Entsiegelung von Böden zur Wiederherstellung der natürlichen Bodenfunktionen. 

Von den 122 ausgewählten Projekten stammen 19 aus NRW. Insgesamt wurden 209 Ideenskizzen eingereicht. (14)

Die Projekte sollen darüber hinaus ein positives Naturerleben möglich machen, zum Beispiel durch gemeinschaftsbildende und naturbewusstseinsfördernde Elemente (Begegnungsmöglichkeiten „im Grünen“, Patenschafts- bzw. Kümmerer-Programme, Naturlehrpfade, Freizeitmöglichkeiten, die über Natürlichen Klimaschutz informieren. (14)

Zum „positiven Naturerleben“ liegt der Gemeinde Schwalmtal bereits ein Rahmenkonzept des Planungsbüros „Wuselwelten“ vor, das in Teilen gemeinsam mit dem Arbeitskreis Kranenbachtal erstellt wurde. (15) Der Arbeitskreis besteht aus Vertretungen der Schwalmtaler Gemeinderatsfraktionen, des Schwalmverbandes, der Schwalmtalwerke und des Kreises Viersen. Sein Ziel ist es, ein Konzept zum dauerhaften Schutz und Erhalt des Kranenbachtals zu erarbeiten. 

Ob das mit dem Wuselwelten-Konzept gelingen kann, müsste noch öffentlich diskutiert werden. Es umfasst touristische, historische, wasserwirtschaftliche und naturschutzrechtliche Aspekte und möchte einen ganzheitlichen Blick auf das Tal ermöglichen. Besucherinnen und Besucher sollen verstehen, wie und warum das Kranenbachtal geschützt und erhalten werden soll. Ein grober Kostenrahmen geht von Gesamtkosten in Höhe von ca. 3.175.000 Euro aus. Die Gemeinde Schwalmtal will im Rahmen der Haushaltsberatungen prüfen, ob und wie und mit welchen Fördermöglichkeiten sie das Konzept umsetzen kann.

Verweise

1. Udo Schiefner. [Online] 10. April 2024. https://www.facebook.com/USchiefner

2. Martin Plum. [Online] 10. April 2024. https://www.facebook.com/martin.plum.cdu/?locale=de_DE

3. Deutscher Bundestag. Ausgaben im Etat für Umwelt entzweien Koalition und Opposition. [Online] 1. Februar 2024. https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2024/kw05-de-umwelt-naturschutz-977668

4. Gemeinde Schwalmtal. Vorlage Nr. 417/23 . [Online] https://ris.schwalmtal.de/vorlagen?__=UGhVM0hpd2NXNFdFcExjZRe_PwJytRD9GGjYuo_fiK0nA7veQb5euZahP_wmCvUswGbNG8f7Mli1CUBJU_cJZg

5. Gemeinde Schwalmtal. Fördermittelmanagement. Gemeinsam Zukunft gestalten. [Online] [Zitat vom: 4. Mai 2024.] https://www.schwalmtal.de/foerdermittel.

6. ZUG. [Online] https://www.z-u-g.org/

7. ZUG. Förderrichtlinie für Natürlichen Klimaschutz in kommunalen Gebieten im ländlichen Raum. [Online] [Zitat vom: 4. Mai 2024.] https://www.z-u-g.org/ank-lk/foerderrichtlinie/

8. Gemeinde Schwalmtal. Vorgang 596/24. [Online] 12. April 2024 https://ris.schwalmtal.de/vorgang/?__=UGhVM0hpd2NXNFdFcExjZdfB6lEQjm-lcAqvbeOX9dQ

9. ZUG. Natürlicher Klimaschutz in in kommunalen Gebieten im ländlichen Raum - Liste der ausgewählten Projektskizzen. [Online] 10. April 2024. https://www.z-u-g.org/fileadmin/zug/Dateien/Foerderprorgamme/ANK-LK/240410_ANK-LK_Liste_Projektskizzen.pdf

10. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV). Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz. [Online] 29. März 2023. https://www.bmuv.de/fileadmin/Daten_BMU/Pools/Broschueren/ank_publikation_bf.pdf

11. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) . Natürlicher Klimaschutz. [Online] [Zitat vom: 4. Mai 2024.] https://www.bmuv.de/natuerlicher-klimaschutz

12. Bundesverfassungsgericht. - 2 BvF 1/22 - Urteil des Zweiten Senats zum Zweiten Nachtragshaushaltsgesetz 2021. [Online] 15. November 2023. https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2023/11/fs20231115_2bvf000122.html

13. Stephan Piskol. Haushalt 2024 – Harte Einschnitte für den Naturschutz. Naturschätze Retten – Aktuelles zur Naturschutzpolitik. [Online] 14. Februar 2024. https://blogs.nabu.de/naturschaetze-retten/hh24/

14. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV). BMUV fördert Projekte für Natürlichen Klimaschutz in ländlichen Kommunen mit knapp 200 Millionen Euro. [Online] 19. April 2024. https://www.bmuv.de/pressemitteilung/bmuv-foerdert-projekte-fuer-natuerlichen-klimaschutz-in-laendlichen-kommunen-mit-knapp-200-millionen-euro.

15. Gemeinde Schwalmtal. Vorgang 588/24. [Online] 5. April 2024. https://ris.schwalmtal.de/vorgang/?__=UGhVM0hpd2NXNFdFcExjZS_ewBqZm5hNQnnKFYenYm4

Grenzlandgruen - 19:46 @ Schwalmtal, Umwelt und Gesundheit | Kommentar hinzufügen



 

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