niederrheinisch - nachhaltig 

24.11.2021

Koalitionsvertrag: „Über Lützerath werden die Gerichte entscheiden.“

Ltzerath 211124.jpgDie im dritten Umsiedlungsabschnitt betroffenen Dörfer im Rheinischen Revier wollen wir erhalten. Über Lützerath werden die Gerichte entscheiden.“ Das verspricht das neue Ampelbündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit in seinem heute unter der Überschrift „Mehr Fortschritt wagen“ veröffentlichten Koalitionsvertrag (1). Wie sind die ersten Reaktionen?

Das Bündnis “Alle Dörfer bleiben” bewertet die Kohleausstiegspläne der Ampelkoalition trotz der unzulänglichen Klimaschutzmaßnahmen als bedeutenden Etappensieg des Widerstands gegen Kohleabbau und feiert den Erhalt von fünf Dörfern am Tagebau Garzweiler II als “starken Erfolg” ihrer jahrzehntelangen Proteste. (2)

Auch der BUND  NRW begrüßt den erklärten Willen der potenziellen Koalitionäre, die Dörfer Keyenberg, Kuckum, Unterwestrich, Oberwestrich und Berverath zu erhalten und den Kohleausstieg zu beschleunigen. Auch der jetzt auf 2022 vorgezogene Überprüfungsschritt sei wichtig, schreibt er in seiner heutigen Pressemitteilung. (3) Der BUND sieht im Koalitionsvertrag den klaren Auftrag an die nordrhein-westfälische Landesregierung, eine neue Braunkohle-Leitentscheidung zu verabschieden. Sie müsse den Erhalt aller bewohnten Siedlungen festschreiben und Zwangsenteignungen zugunsten der Tagebaue ausschließen, meint BUND-Landesvorsitzender Holger Sticht. Zudem dürfe das Land keine neuen bergrechtlichen Zulassungen zur Kohlegewinnung erteilen.

Um auf einen mit dem Pariser 1,5 Grad-Ziel konformen Braunkohleausstiegspfad zu kommen, müsse die Kohleförderung im Tagebau Garzweiler drastisch gegenüber den bisherigen Planungen reduziert werden. Eine energiepolitische Notwendigkeit zum dortigen Kohleabbau in dem bisher geplanten Umfang von bis zu 600 Millionen Tonnen existiere nicht. Das hätten mehrere Gutachten, unter anderem auch des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) (4) belegt. 

Damit müsse auch Lützerath erhalten werden. BUND-Geschäftsstellenleiter Dirk Jansen kritisiert: „Dass die Ampelkoalition diesbezüglich die Verantwortung auf die Gerichte abschiebt, ist feige.“ (3) 

Der Satz „Über Lützerath entscheiden die Gerichte” zeige, dass die Ampel kneife, wenn sie in Konzern-Profite eingreifen muss, meint „Alle Dörfer bleiben“ im heutigen Tweet (5) Dass nun Keyenberg, Kuckum, Unter- & Oberwestrich und Berverath erhalten bleiben, sei kein Zufall: sie liegen am Nordrand des geplanten Tagebaus, seien RWE also kaum im Weg und wären selbst bei einem Kohleausstieg 2038 sehr wahrscheinlich erhalten worden. Die größten Kohlemengen lägen unter Lützerath und Immerath. „Es ist ein Versuch, die Verantwortung abzuwälzen und das Thema aus dem Wahlkampf in NRW raus zu halten. Das wird nicht funktionieren.“ (5)

„Einerseits empfinde ich riesige Erleichterung und Freude über die Rettung unseres Zuhauses, andererseits bin ich schockiert, dass Lützerath weiter für klimaschädliche Braunkohle abgebaggert werden soll“, sagt Waltraud Kieferndorf aus Kuckum von der Solidargemeinschaft Menschenrecht vor Bergrecht.

Eckardt Heukamp, der letzte Landwirt des kleinen Dorfes Lützerath, wehrt sich derzeit vor dem Oberverwaltungsgericht Münster gegen seine vorzeitige Enteignung durch den Kohlekonzern RWE. Das Dorf selbst ist zudem zurzeit von etwa 100 Aktivist*innen bewohnt, Ende Oktober kamen 5000 Menschen zu einer Demonstration für den Erhalt des Ortes. 

Die Klimagerechtigkeitsbewegung zeigt sich weiterhin entschlossen, Lützerath vor der Zerstörung zu bewahren, falls RWE mit Abrissarbeiten beginnen sollte. Die Bagger des Kohlekonzerns sind aktuell nur noch 200 Meter vom Dorf entfernt.

Alexandra Brüne vom Bündnis “Alle Dörfer Bleiben” beschreibt die Lage: „Die Ampel-Koalition ist weiterhin bereit, unser Nachbardorf Lützerath im Tagebau zu begraben und dafür Eckardt Heukamp zu enteignen. Doch mit der Zerstörung von Lützerath ist die 1,5°-Grenze nicht einzuhalten. Darum gehen unsere Proteste weiter.“ Auch Fridays for future verkündet heute  per Twitter, weiter für Lützerath zu kämpfen, denn „der Koalitionsvertrag sei vieles – klimagerecht sei er nicht (6).

Alexandra Brüne bleibt zuversichtlich: „Fünf Dörfer haben wir gerettet, und den Kampf um Lützerath werden wir auch gewinnen!“ (2)

Anmerkungen
1. Mehr Fortschritt wagen. Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit. Koalitionsvertrag 2021 – 2025 zwischen der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD), BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN und den Freien Demokraten (FDP) . [Online] 24. November 2021. https://cms.gruene.de/uploads/documents/Koalitionsvertrag-SPD-GRUENE-FDP-2021-2025.pdf

2. Alle Dörfer bleiben. Koalitionsvertrag: Fünf Dörfer gerettet, der Kampf um Lützerath und 1,5 Grad geht weiter. [Online] 24. November 2021. https://www.alle-doerfer-bleiben.de/presse/pressemitteilungen/

3. BUND NRW. Koalitionsvertrag: Alle Braunkohle-Dörfer müssen bleiben . [Online] 24. November 2021. https://www.bund-nrw.de/presse/detail/news/koalitionsvertrag-alle-braunkohle-doerfer-muessen-bleiben-windenergieblockade-in-nrw-beenden/

4. Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung. Kein Grad weiter - Anpassung der Tagebauplanung im Rheinischen Braunkohlerevier zur Einhaltung der 1,5-Grad-Grenze. [Online] 11. Juni 2021. https://www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.819609.de/diwkompakt_2021-169.pdf

5. Alle Dörfer bleiben. Tweet vom 24. November 2021. [Online] https://twitter.com/AlleDoerfer/status/1463545625929265152.

6. [Online] https://twitter.com/FridayForFuture.

Grenzlandgruen - 20:47 @ Strukturwandel im Rheinischen Revier | Kommentar hinzufügen



 

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