niederrheinisch - nachhaltig 

21.09.2024

Demutsnetzereien

184.jpg»Der Mönchengladbacher Günter Netzer, „der Höhepunkt des deutschen Fußballs“, steht […] nicht nur für den Gipfelpunkt des deutschen Fußballs, die Europameisterschaftsspiele 1971/72, sondern auch für sozialdemokratische Aufbrüche, Willy wählen, kurz: die gute Bundesrepublik.«
Christoph Biermann: Fußball und Eigensinn. TAZ vom 10. Dezember 1993

»Günter Netzer hält damals und auch heute nichts von der These […] Mehr Demokratie wagen? Klingt für den Spielmacher, der sich als Chef auf dem Platz versteht […] eher bedrohlich. Netzer, das zeigt sich schon früh, geht es außerhalb des Spielfelds vor allem ums Geldverdienen und darum Spaß zu haben.«
Matthias Alexander: Der Regisseur des schönen Spiels. FAZ am 14. September 2024

»Auch Götter kommen in die Jahre, selbst ein Gott der Jugendlichkeit. So einer war Günter Theodor Netzer. Eine Art Dorian Gray des Fußballs. Wie das ewig anmutende Bildnis männlicher Ästhetik, gepaart mit der Eleganz des schönen Spiels. “Dä Jünter”: Nicht nur in seiner niederrheinischen Heimat Mönchengladbach haben sie ihn wie eine Gottheit angebetet, wenn er auf dem Spielfeld regierte, mit kantigem Gesicht und langen, wehenden, blonden Haaren.«
In/Spot: Günter Netzer wird 80: Das große Glück aus der Tiefe des Raums. Yahoo-Nachrichten am 14. September 2024

»Er war der Mann, der wie vom Himmel gefallen schien, einer aus der Provinz, der von Anfang an wie ein Weltmann wirkte, wahnsinnig cooler Typ, gute lange Haare, gute Klamotten, gute Sportwagen, Ferrari und so. Er war das Gegenteil dessen, was man von einem deutschen Fußballer erwartete, kein braver Erfüllungsgehilfe seiner Trainer, kein still im Dienste der Mannschaft schuftender Siegertyp, sondern ein herrliches Großmaul, jedenfalls auf dem Platz als Spielmacher. […]

Aber über Günter Netzer reden, das heißt, ihn zu überhöhen, ihn womöglich über das gebotene Maß zu feiern, ihn zu etwas zu erklären, das er wohl nie war und laut eigenen Aussagen definitiv nicht sein wollte: Popstar, Rebell, Diva, Lebemann, blonder Engel, “langes Arschloch” (Hennes Weisweiler, bei seiner angeblichen Definition von Abseits: “Abseits ist, wenn das lange Arschloch wieder mal zu spät abgespielt hat”). […]

Netzer lieben wohl vor allem diejenigen, denen Gewinnen nicht alles ist, jedenfalls dann nicht, wenn es nicht mit Eleganz, Schauwert, Humor, genereller Interessantheit verbunden ist. Netzer war also wie fürs Feuilleton gemacht. In das hat ihn und damit den Fußball einst Karl Heinz Bohrer mit der Wendung von “der Tiefe des Raums” geholt, aus der Netzer plötzlich vorgestoßen sei […] dass eben nichts normal ist, wenn Günter Netzer damit zu tun hat, darin besteht doch gerade der Zauber, der von ihm ausgeht.

Netzer, der bekennend Lauffaule, hatte jedenfalls in seiner prägenden Zeit als Spieler von Borussia Mönchengladbach immer jemanden, der für ihn lief, den tapferen Herbert Wimmer. Der konnte dem Publikum neben Netzer erscheinen wie Sancho Panza neben Don Quijote, so wie es später manchmal auch Delling neben Netzer tat. Nur dass Netzer nie ein Ritter von trauriger Gestalt war wie Don Quijote, sondern stets glänzender; und dass Netzer nie jemandem etwas vorzumachen schien, vor allem nicht sich selbst. Es schien, als könne sich Netzer die Verehrung seiner Person zwar schon erklären, er war halt echt spitze in so vielen Dingen; und wirklich unliebsam war ihm die Verehrung augenscheinlich auch nicht. Doch Netzer wirkte stets so, als halte er das Gewese um ihn im Großen und Ganzen doch für etwas unreifen Quatsch.«
Dirk Peitz: Der Leichtfüßigste. ZEIT-ONLINE am 14. September 2024

»Ich bin immer Realist gewesen […] Da ich immer ehrlich zu mir selbst war, weiß ich sehr wohl, dass ich kein einfacher Typ bin. […] Ich traf Entscheidungen intuitiv aus dem Bauchgefühl heraus die sich dann erst im Nachhinein als richtig herausgestellt haben. Ich war auch eher schüchtern und zurückhaltend. […] In der Schulzeit habe ich die Straßenseite gewechselt, wenn mir Mädchen entgegengekommen sind. Unterhalten konnte ich mich mit ihnen schon gar nicht. […] Ich war immer lernfähig, stets auf der Suche nach einer Weiterentwicklung. Begünstigend dabei war, von den richtigen Leuten umgeben zu sein, die mir etwas beibringen konnten und somit vielseitige Interessen bei mir weckten.

[…] Rechtfertigung für irgendetwas, was ich angestellt habe, kenne ich nicht. Ich stand immer zu meinen Fehlern, bekannte mich stets als Erster dazu und versuchte sie abzustellen. […] Sehr früh erkannte ich, Prioritäten zu setzen, was das Wichtigste ist, um anderes zu erreichen. […] Solch ein Ego ist ein gesundes Ego. Wobei ich zum Leistenkönnen auch Sachen zähle, die nicht unbedingt notwendig sind zum Leben, die teilweise auch unvernünftig erschienen. Aber so war ich nun einmal, diese gehörige Portion Unvernunft ist Teil meines Charakters. […] Entscheidend ist doch das Wissen um sich selbst, und ich wusste genau, wer und wie ich bin und was ich wollte. Wobei mir das Streben nach Unabhängigkeit immer am wichtigsten war. Ich habe mich schon unabhängig verhalten als ich noch gar nicht unabhängig war. […] Natürlich habe ich nicht alles zu 100 Prozent richtig gemacht. Das wollte ich auch nie. Für mich selbst war alles okay, so wie es lief. Deshalb ganz klar: Ich bereue nichts! […]

Ich bin privilegiert und sehr, sehr dankbar dafür, wie ich bis heute mein selbstbestimmtes Leben geführt habe und bin demütig - ein Wort, das es im Deutschen Sprachgebrauch kaum noch gibt - , dass ich in meinem Alter noch so mit ihnen sprechen kann. […] Ich habe keine Angst vor dem Sterben.«
Günter Netzer in der Welt am Sonntag vom 15. September 2024

»Ich wollte immer Günter Netzer sein.«
Lothar Matthäus in der ZEIT vom 19. September 2024

Grenzlandgruen - 07:18 @ Grenzlandgrünschnitt | Kommentar hinzufügen



 

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