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19.12.2022
UN-Naturschutzabkommen verabschiedet
Nach monatelangen Verhandlungen haben sich die Teilnehmer*innen des Weltnaturgipfels (COP 15) im kanadischen Montreal auf eine rechtlich nicht bindende Abschlusserklärung (1) geeinigt. Chinas Umweltminister und COP 15- Präsident Huang Runqiu hat seine „auf den letzten Drücker” eingebrachten Formulierungsvorschläge für einen globalen Zielkatalog trotz massiver Einwände aus Kamerun, Uganda und der Demokratischen Republik Kongo durchgesetzt. Es ging in dem Abkommen darum, die natürlichen Lebensgrundlagen der Menschheit aus ihrer existenziellen Bedrängnis zu befreien.
Das 14-seitige Papier zu den Kunning-Montreal-Zielen 2030 ist eigentlich ein Paket aus mehreren Dokumenten, die insgesamt vier Leitbilder und 23 Ziele umfassen. Die Kunning-Montreal-Rahmenvereinbarung löst die 2010 verabschiedeten 20 „Aichi Biodiversity Targets“ ab. Deren Ziele sollten bis 2020 erreicht werden, wurden aber alle verfehlt. (2)
Jetzt sollen bis spätestens 2050 das Artensterben gestoppt, die Ökosysteme verbessert und deren Funktionen und genetische Ressourcen nachhaltig und fair genutzt werden.
Dazu sollen unter anderem bis 2030 mindestens 30 Prozent der weltweiten Land- und Meeresflächen unter Respektierung der Lebensweisen und Rechte indigener Bevölkerungen „wirkungsvoll konserviert“ werden. Intakte Wildnis soll erhalten bleiben.
Die Risiken, die aus Pestiziden und Düngemitteln für die Natur entstehen, sollen halbiert werden. Der Anteil ökologischer Landwirtschaft soll weltweit steigen.
Bis 2026 soll der Vorteilsausgleich für die Nutzung ökonomisch attraktiver genetischer Ressourcen reformiert werden.
Außerdem soll mehr Geld für den Schutz der Artenvielfalt ausgegeben werden. Dafür sollen unter anderem reichere Länder ärmeren Ländern bis 2025 rund 20 Milliarden Dollar und bis 2030 30 Milliarden Dollar jährlich zukommen lassen. Bis 2030 sollen jährlich naturschädliche Subventionen im Umfang von 500 Milliarden Dollar zugunsten des Ökosystemschutzes abgebaut werden.
Das in der Frankfurter Erklärung geforderte „naturpositive Wirtschaften“ (3) hat es nicht in die Vereinbarung geschafft. Unter Nummer 15 werden die Staaten aufgefordert, sicherzustellen, dass transnationale Unternehmen ihre Risiken, Abhängigkeiten und Auswirkungen auf die Biodiversität regelmäßig überwachen, bewerten und transparent offenlegen und den Konsument*innen die Informationen zur Wertschöpfungen und Lieferketten bereitzustellen, die sie zur Umsetzung nachhaltiger Konsummuster benötigen. (1)
Das Abkommen stieß auf gemischte Reaktionen. Einerseits war von einem „guten Tag für den Umweltschutz“ und einem „historischen Ergebnis“ die Rede. Andererseits wurde das Fehlen verbindlicher und messbarer Ziele moniert. Der NABU blickt mit Ernüchterung auf das Ergebnis (4).TAZ (5), Tagesschau (6), Süddeutsche Zeitung (7) und Handelsblatt (8) schildern die Hintergründe.
Das fast über zwei Jahrhunderte entwickelte Lebensmodell des kapitalistischen Industrialismus zeitigt Folgen und weckt eine eher unrealistische Sehnsucht nach einem globalen Rettungsplan, der planetare Grenzen überwindet, Wirtschaft und Umwelt versöhnt, den Entwicklungsländern Entwicklung ermöglicht und den wohlhabenden Ländern ihren Wohlstand erhält.
Jetzt liege es an den einzelnen Staaten, sich gegen die Agrar-, Holz- und Fischereilobbys durchzusetzen und den Schutz in ihren Gebieten so stark wie möglich zu gestalten, sagt Jannes Stoppel (Greenpeace). „Das gilt auch für Deutschland, denn: Auch bei uns sind bisher weniger als drei Prozent der Wälder und weniger als ein Prozent der europäischen Meeresgebiete strikt vor industrieller Ausbeute geschützt. In den meisten Schutzgebieten werden bisher einfach weiter Bäume gefällt oder es wird industriell gefischt.“ (9)
Das sieht das Bundesumweltministerium anders. In der Bundesrepublik sei das 30-Prozent-Ziel schon erreicht. In Deutschland seien 45 Prozent der Meeresflächen geschützt. An Land liege die Quote – wenn man Landschaftsschutzgebiete einbezieht – ebenfalls deutlich über 30 Prozent. (8) „Bund und Länder arbeiten gemeinsam daran, dass die geschützten Lebensräume sowie die wichtigen Beiträge dieser Gebiete zum natürlichen Klimaschutz gesichert beziehungsweise gestärkt und bei Bedarf wiederhergestellt werden. Dafür soll ein Aktionsplan Schutzgebiete aufgelegt werden.“ Der Schwerpunkt solle dabei auf die qualitative Fortentwicklung der bestehenden Schutzgebiete liegen, meldet das Bundesumweltministerium. (10) Das ist vorrangig Ländersache, aber dazu könnten die Mittel aus dem Aktionsprogramm „Natürlicher Klimaschutz“ der Ampel-Regierung (11) genutzt werden.
Verweise
1. UN enviroment programme. Kunning-Montreal Global biodiversity framework. Draft decision submitted by the President. [Online] 18. Dezember 2022. https://www.cbd.int/doc/c/e6d3/cd1d/daf663719a03902a9b116c34/cop-15-l-25-en.pdf
2. UN environment programme. Global Biodiversity Outlook 5. [Online] 18. August 2020. https://www.cbd.int/gbo/gbo5/publication/gbo-5-en.pdf
3. Frankfurter Erklärung zum Weltnaturgipfel 2022. [Online] 29. November 2022. https://frankfurter-erklaerung.eu/
4. Naturschutzbund Deutschland. Rund 200 Staaten beschließen ein neues Weltnaturabkommen. [Online] 19. Dezember 2022. https://www.nabu.de/news/2022/12/32685.html
5. Holdinghausen, Heike;. Mehr Moore für Elche. TAZ. [Online] 19. Dezember 2022. https://taz.de/Artenschutzkonferenz-in-Montreal/!5900621/
6. Tagesschau. Gipfel einigt sich auf Naturschutzabkommen. [Online] 19. Dezember 2022. https://www.tagesschau.de/ausland/amerika/abkommen-weltnaturgipfel-einigung-101.html
7. Krumenacker, Thomas. Die Welt hat ein neues Naturschutzabkommen. Süddeutsche Zeitung. [Online] 19. Dezember 2022. https://www.sueddeutsche.de/wissen/montreal-weltnaturkonferenz-einigung-1.5718370
8. Handelsblatt. Einigung auf Weltnaturgipfel: Mehr Geld für Artenvielfalt, Schutz der Land- und Meeresflächen. [Online] 19. Dezember 2022. https://www.handelsblatt.com/politik/international/naturschutz-einigung-auf-weltnaturgipfel-mehr-geld-fuer-artenvielfalt-schutz-der-land-und-meeresflaechen/28875748.html?nlayer=Politik-News_11247984
9. Greenpeace. Stellungnahme zur Weltnaturkonferenz CBD COP15. [Online] 19. Dezember 2022. https://presseportal.greenpeace.de/221364-stellungnahme-zur-weltnaturkonferenz-cbd-cop15
10. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz. Montreal Moment für die Natur. [Online] 19. Dezember 2022. https://www.bmuv.de/pressemitteilung/montreal-moment-fuer-die-natur
11. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz. Mit Natürlichem Klimaschutz gegen die Klima- und Biodiversitätskrise vorgehen. [Online] 31. August 2022. https://www.bmuv.de/pressemitteilung/mit-natuerlichem-klimaschutz-gegen-die-klima-und-biodiversitaetskrise-vorgehen
Grenzlandgruen - 21:31 @ Akteure und Konzepte, Umwelt und Gesundheit, Raumplanung und Regionalentwicklung | Kommentar hinzufügen
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