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19.01.2023
Foodwatch: Gesunde Tiere statt Tierqual-Label
Eine bessere Tierhaltung führt offenbar nicht zu gesünderen Tieren. Annemarie Botzki und Matthias Wolfschmidt haben im Auftrag von Foodwatch für ihren am 17. Januar 2023 erschienen Report „Tierleid im Einkaufskorb“ (1) zahlreiche tiermedizinische Studien und Schlachthofberichte aus dem In- und Ausland ausgewertet. Das Ergebnis ist vernichtend: In allen Haltungsstufen leiden Millionen von Tieren unter Verletzungen und schweren Krankheiten.
Ein Beispiel: Knapp 40 Prozent aller Schweine in konventioneller Haltung haben krankhafte Befunde wie Lungenentzündungen, offene Wunden oder Abszesse – in der Bio-Haltung sind es mit 35 Prozent kaum weniger. Das vom Bundeslandwirtschaftsministerium geplante Tierhaltungssiegel für Schweine berücksichtigt nicht deren Gesundheitszustand. Der hängt von Güte des Stallmanagements ab. Tiergesundheit bedeutet für Landwirte mehr Zeit und Aufwand für Fütterung, Betreuung und Hygiene. Zeit, die Landwirte meist nicht mehr haben.
Legehennen haben massenhaft Knochenbrüche. Kühe leiden unter schmerzhaften Euterentzündungen, weil ihnen täglich bis zu 60 Liter Milch abgepumpt werden. Milch, Fleisch, Eier oder verarbeitete Produkte aus dem Supermarkt oder Bioladen können von kranken Tieren stammen. Die Tierwohl-Siegel helfen nicht weiter. Sie bilden lediglich die Haltungsformen ab und gaukeln den Verbraucher*innen vor, sie könnten durch ihre Kaufentscheidungen das Elend der Nutztiere lindern. „Die Tiergesundheit ist das wichtigste Kriterium, nicht die Haltungsbedingungen. Eine lahme Kuh hat auch von einer Weide nichts“, sagt Prof. Dr. Albert Sundrum, ehemaliger Fachgebietsleiter Tierernährung und Tiergesundheit an der Universität Kassel (2)
Die Landwirte entscheiden selbst, welche Krankheitsraten sie tolerieren. Amtsveterinäre können erst einschreiten, wenn der Verbraucherschutz gefährdet ist oder Tierseuchen drohen. Sie unterstehen der Dienstaufsicht des Kreises bzw. der kreisfreien Städte. Einerseits sind sie damit beauftragt, die Einhaltung von Tierschutzrecht sicherzustellen, andererseits kontrollieren sie gewerbliche Betriebe, die für die Regionen oft wertvolle Arbeitgeber und Gewerbesteuerzahler darstellen. Bioverbände führen teilweise eigene Gesundheitskontrollen durch. „Neue Daten aus Nordrhein-Westfalen belegen sogar, dass Amtstierärzte gefährlich leben: Von wüsten Beschimpfungen über schwere Körperverletzungen bis hin zu Morddrohungen sind viele Fälle aktenkundig.“ (1) Stallkontrollen kommen statistisch alle 17 Jahre vor, so der Report.
Die Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag versprochen: „Wir erarbeiten eine Tiergesundheitsstrategie und etablieren eine umfassende Datenbank (inkl. Verarbeitungsbetriebe tierischer Nebenprodukte)“ (3)
Die Bundesregierung hat jedoch am 7. Dezember 2022 einen Entwurf zu einem Tierhaltungskennzeichnungsgesetz auf den gesetzgeberischen Weg gebracht, von dem Expert*innen sagen, dass er weder die Lebensbedingungen der Nutztiere verbessere noch den Verbraucherschutz erhöhe. (4) Landwirtschaftsminister Cem Özdemir kündigt eine Anschubfinanzierung von einer Milliarden Euro für die Verbesserung der Schweinehaltung an und verweist auf die erfolgreiche Kennzeichnungspflicht für Eier. (5) Verbraucher*innen wollen Transparenz.
Bereits heute werden etwa in Schlachthöfen, Tierkörperbeseitigungsanlagen und landwirtschaftlichen Betrieben wichtige Daten erhoben, die Aufschluss über Krankheiten und Verletzungen von Nutztieren geben. Foodwatch fordert mit diesen Daten systematisch den Gesundheitszustand von Nutztieren zu erfassen, einen überbetrieblichen Maßstab für gute Tiergesundheit und entsprechende Anreize und Sanktionen für landwirtschaftliche Betriebe einzuführen und hat dazu die Petition „Gesunde Tiere statt Tierqual-Label“ auf den Weg gebracht. (6)
Verweise
1. Botzki, Annemarie; Wolfschmidt, Matthias;. Tierleid im Einkaufskorb.Warum alle Haltungsformen Nutztiere krank machen und wie sich das ändern lässt. foodwatch. [Online] 17. Januar 2023. https://foodwatch.org/fileadmin/-DE/Themen/Tierhaltung/Dokumente/2023-01-17_Tiergesundheit_Report.pdf
2. Foodwatch. foodwatch-Report: Auch Bio-Tiere massenhaft krank. [Online] 17. Januar 2023. https://www.foodwatch.org/de/aktuelle-nachrichten/2023/foodwatch-report-auch-bio-tiere-massenhaft-krank/
3. SPD, Bündnis 90/DIE Günen, FDP. Mehr Fortschritt wagen. Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit. Koalitionsvertrag 2021- 2025. [Online] 24. November 2021. https://www.spd.de/fileadmin/Dokumente/Koalitionsvertrag/Koalitionsvertrag_2021-2025.pdf
4. Deutscher Bundestag. Pläne zum Tierhaltungslabel gehen Experten nicht weit genug. [Online] 16. Januar 2023. https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2023/kw03-pa-landwirtschaft-928488
5. Deutschlandfunk. Cem Özdemir im Gespräch mit Thilko Grieß. [Online] 19. Januar 2023. https://www.deutschlandfunk.de/cem-oezdemir-landwirtschaftsminister-interview-100.html
6. Foodwatch. Petition “Gesunde Tiere statt Tierqual-Label!” . [Online] [Zitat vom: 19. Januar 2023.] https://www.foodwatch.org/de/mitmachen/gesunde-tiere-statt-tierqual-label/
Grenzlandgruen - 20:29 @ Akteure und Konzepte, Umwelt und Gesundheit | Kommentar hinzufügen
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