niederrheinisch - nachhaltig 

08.10.2021

Besitzeinweisung, Bergrecht und der Strukturwandel des Eigentums: Über das „Lützerath-Urteil“ des Verwaltungsgerichts Aachen

51362699361_084ee51de9_q.jpgRWE-Power hat den Eigentümer des Lützerather Mönchhofs Eckhardt Heukamp noch nicht rechtskräftig enteignet. Dennoch bestätigte das Verwaltungsgericht Aachen gestern dem RWE-Konzern, dass er das Recht auf eine „vorzeitige Besitzeinweisung zum 1.November 2021“ habe. Das Gericht lehnte die Eilanträge Heukamps und zweier Mieter ab. 

Sie richteten sich gegen die Beschlüsse der Bezirksregierung Arnsberg, mit denen die RWE Power AG als Betreiberin des Tagebaus Garzweiler II zum 1. November 2021 vorzeitig in den Besitz dieser Grundstücke eingewiesen worden ist. Die 219 Mitarbeiter*innen umfassende Abteilung 6 der Bezirksregierung Arnsberg ist zuständig für Bergbau und Energie in ganz Nordrhein-Westfalen.

Das  Aachener Gericht begründete seine Urteile mit der Leitentscheidung der Landesregierung und den bundesgesetzlichen Regelungen zum Kohleausstieg. Beide stehen wegen der Klima- und Umweltschädlichkeit in der Diskussion.

Die Umsetzung des 1998 genehmigten Tagebaus Garzweiler II“ würde den Zusagen widersprechen, die die Bundesregierung im Rahmen des Pariser Klimaabkommens gemacht hat.  Für die bundesweiten Kohleausstiegsregelungen hat die schwarz-gelbe Landesregierung bewusst die veralteten Garzweiler II- Entscheidungen ihrer rot-grünen Vorgängerregierungen durchgedrückt. Damit erhält RWE Power „mehr Spielraum“ für die Braunkohleverbrennung. Durch finanztechnische Absicherungen ist sie – zumindest bis 2030 -ein lukratives Geschäft für den Konzern.

Alles andere als lukrativ sind viele Mieten in Berlin. Die Berliner*innen haben daher vor zwei Wochen ihren Senat per Volksentscheid aufgefordert, „Maßnahmen einzuleiten, die zur Überführung von Immobilien sowie Grund und Boden in Gemeineigentum zum Zwecke der Vergesellschaftung nach Art. 15 des Grundgesetzes erforderlich sind.“ Seitdem erklären viele „Enteignung“ zum tabuisierten E-Wort.

Kein Tabu ist für das Aachener Verwaltungsgericht die Enteignung von Grundstücken am Tagebau Garzweiler II. Hier sorgt die sogenannte Rohstoffsicherungsklausel (§ 48 des Bundesberggesetzes), dass der Bergbau und die darin erhaltene Braunkohleförderung durch andere Regelungen möglichst nicht beeinträchtigt wird.

Das Bundesberggesetz ist ein längst überholtes Relikt des Wirtschaftsverwaltungsrechts der alten Industriegesellschaft. Eine Reform ist überfällig.

Mit der ökologischen Krise und der Wohnungsnot in Großstädten ist das Eigentum und die Vermarktung von Naturgütern und Wohnungen in die Diskussion geraten. Eine grüne -nicht auf Verschleiß ausgerichtete Transformation der Industriegesellschaft braucht eine andere Eigentumsordnung. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft hat am 27. November 2020 mitgeteilt, dass der Sonderforschungsbereich/Transregio „Strukturwandel des Eigentums“ in den kommenden vier Jahren mit bis zu zehn Millionen Euro unterstützt wird. Seit Januar 2021 wird in 23 Teilprojekten an fünf Standorten in Jena, Erfurt, Berlin, Oldenburg und Darmstadt zum Strukturwandel des Eigentums geforscht.

Übrigens: Das gestrige Urteil des Aachener Verwaltungsgerichts ist noch nicht rechtskräftig. Heukamp & Co können beim Oberverwaltungsgericht in Münster Beschwerde gegen die Beschlüsse einlegen.

Foto: © Trägerkreis Garzweiler 2021

Grenzlandgruen - 12:33 @ Wirtschaft und Finanzen, Strukturwandel im Rheinischen Revier | Kommentar hinzufügen

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