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07.04.2022

Sechster IPCC-Sachstandsbericht: Beitrag der Arbeitsgruppe III erschienen

Titelbild_IPCC_AR6_WGIII_SummaryForPolicymakers.jpgDie IPCC-Arbeitsgruppe III (Minderung des Klimawandels) hat mit einer Online-Pressekonferenz am 4. April 2022 (1) ihren 2.900 Seiten umfassenden Beitrag zum sechsten Sachstandsbericht des Weltklimarats veröffentlicht (2) . Der Bericht war ursprünglich für Juli 2021 angekündigt (3). Coronabedingt hatte sich seine Erstellung verzögert.
 
Die anthropogenen Netto-Treibhausgasemissionen sind zwischen 2010 und 2019 weiter angestiegen. Die 10 Prozent der Haushalte mit den höchsten Pro-Kopf Emissionen tragen einen unverhältnismäßig großen Anteil zu den weltweit ausbreiten Treibhausgasemissionen bei. In allen Sektoren müssen die Treibhausgasemissionen sofort und tiefgreifend gesenkt werden. Der Verbrauch an fossilen Brennstoffen muss drastisch zurückgehen. Energie muss effizient und sparsam aus erneuerbaren Quellen eingesetzt werden.

Um abzuschätzen, welche Optionen den Ländern der Erde bleiben, die desaströsen Folgen der Erderhitzung zu vermeiden, haben 632 Autor*innen über 18.000 Studien und über 59.000 Stellungnahmen ausgewertet. Die Botschaft des Berichts ist eindeutig: Um das Schlimmste zu verhindern, müssen wir ab sofort radikale und systematische Maßnahmen zur Dekarbonisierung unserer Wirtschaftsordnung und unseres Lebensstils einleiten. Das Geld dazu ist vorhanden, doch die Finanzströme fließen noch in die falsche Richtung. (4) Klimaretten ist deutlich günstiger als es nicht zu tun und die entstandenen Schäden zu bezahlen.

Der südkoreanische Ökonom Hoesung Lee ist seit Oktober 2015 Vorsitzender des Weltklimarats. Er sieht die Welt am Scheideweg: „Die Entscheidungen, die wir jetzt treffen, können eine lebenswerte Zukunft sichern. Wir haben die Werkzeuge und das Know-how, die erforderlich sind, um die Erwärmung zu begrenzen.“ (5) 

In  Kommunen, an Gebäuden, in der Industrie, in Land- und Forstwirtschaft gebe es noch viel Potenzial für Emissionssenkungen. Man müsse sofort anfangen, sagt Jim Sea, Co-Vorsitzender der IPCC-Arbeitsgruppe III: „Jetzt oder nie, wenn wir die globale Erwärmung auf 1,5 Grad begrenzen wollen. Ohne sofortige und tiefgreifende Emissionsminderungen in allen Sektoren wird es unmöglich sein.“ (5)

Der Klimawissenschaftler Professor Dr. Niklas Höhne fordert, die globalen Emissionen innerhalb der nächsten zehn Jahre zu halbieren und bis etwa Mitte des Jahrhunderts auf Null zu senken: „Wir brauchen jetzt einen gemeinsamen Notfallplan für die Klima- und die Ukrainekrise mit Fokus auf Energiesparen, dem schnellstmöglichen Ausbau der erneuerbaren Energien und einem gezielten sozialen Ausgleich.“ (6)

Die deutsche IPCC-Koordinierungsstelle hält deutschsprachige Zusammenfassungen der IPCC-Dokumente zum Download bereit. (7) Sie erstellt zudem eine Liste der Deutschen Übersetzungen von IPCC-spezifischen Fachbegriffen (8). Journalistische Zusammenfassungen gibt es zum Beispiel bei T-Online (9) oder auf der Utopia-Homepage (10), eine Analyse auf ZEIT-Online (11) oder bei Tagesschau.de (16).

Die meisten Dekarbonisierungsmaßnahmen scheinen noch nicht auf dem richtigen Weg zu sein. 2021 wurde so viel Kohle wie nie zuvor verbrannt. Die globalen CO2-Emissionen haben ein neues Allzeithoch erreicht. (12). UN-Generalsekretär Antonio Guterres spricht daher von Lügen beim Klimaschutz- Engagement vor. „Einige Regierungen und Verantwortliche von Unternehmen sagen das eine und tun das andere. Einfach ausgedrückt: Sie lügen. Der neue IPCC-Bericht sei daher „ein Katalog der leeren Versprechungen, die uns entschieden auf den Pfad zu einer unbewohnbaren Erde bringen.“ (13) Die Berliner Morgenpost zeigt derweil schon mal, welche Regionen im Jahre 2100 betroffen sind. (14)

Es gibt einen Unterschied zwischen PR und Profit. Das zeigt auch das Monitoring der Climate Action 100+ Group. Trotz vieler Ankündigungen bleibt der Fortschritt eine Schnecke (15). Hinter der „Zeitenwende“ nach dem 24. Februar 2022 verbirgt sich auch eine Wiederauferstehung der Firmen, die ihre Geschäfte mit Gas, Kohle, Öl und Waffen machen.

Für den Nachhaltigkeitsforscher Professor Dr. Jan Christoph Minx bietet der Arbeitsgruppenbericht dennoch Lichtblicke. Die Kosten für Klimaschutz seien stark gesunken. Die Hälfte der Emissionen könne zu Kosten von weniger als 100 US-Dollar pro Tonne vermiedenes CO2 vermieden werden (16). Die derzeitige Renaissance der Kohle hält Minx für gefährlich. Der IPCC Bericht zeige klarer denn je, „dass wir das fossile Zeitalter beenden und das Ruder in der nächsten Dekade herumreißen müssen, weil sich sonst das Fenster für das 1,5 Grad Ziel schließt.“ (6)

Der Klimaforscher Professor Dr. Mojib Latif hält das 1,5 Grad-Ziel mittlerweile für „absolute Kosmetik“. Dass der globale Treibhausgasausstoß bis 2030 um 43 Prozent sinkt, sei nicht in Sicht. „Ein bisschen Rumdoktern hier und da. Hier ein Windrad mehr und etwas mehr öffentlicher Nahverkehr, das reicht nicht. Wir müssen völlig neue Strukturen aufbauen, sonst wird das alles nichts.“ (17)

Verweise

1. IPCC. CLIMATE CHANGE 2022: Mitigation of Climate Change. [Online] 4. April 2022. https://www.youtube.com/watch?v=STFoSxqFQXU

2. Intergovernmental Panel on climate change. Climate Change 2022. Mitigation of Climate Change.Working Group III . [Online] 4. April 2022. https://report.ipcc.ch/ar6wg3/pdf/IPCC_AR6_WGIII_FinalDraft_FullReport.pdf

3. IPCC. Der sechste Berichtszyklus des Weltklimarats IPCC. Kompaktinformation. [Online] https://www.de-ipcc.de/media/content/De-IPCC_Flyer_Der_sechste_Berichtszyklus_des_IPCC_BITV.pdf

4. IPCC - Deutsche Koordinierungsstelle. Sechster IPCC-Sachstandsbericht (AR6) - Beitrag von Arbeitsgruppe III: Minderung des Klimawandels. Hauptaussagen aus der Zusammenfassung für die politische Entscheidungsfindung (SPM). [Online] 4. April 2022. https://www.de-ipcc.de/media/content/Hauptaussagen_AR6-WGIII.pdf

5. IPCC. The evidence is clear: the time for action is now. We can halve emissions by 2030. [Online] 4. April 2022. https://www.ipcc.ch/2022/04/04/ipcc-ar6-wgiii-pressrelease/

6. Bericht des Weltklimarats: “Zeit zum Handeln ist jetzt”. Kersting, Silke;. 5. April 2022, Hansdelsblatt, S. 7

7. Deutsche IPCC-Koordinierungstelle. [Online] https://www.de-ipcc.de/270.php

8. IPCC - Deutsche Koordinierungsstelle. Vereinbarungen für die Übersetzung englischer Fachbegriffe aus den Klimawissenschaften ins Deutsche. [Online] März 2022. https://www.de-ipcc.de/media/content/Begriffe_IPCC_online.pdf

9. Crysmann, Therasa;. “Jetzt oder nie”: Die letzte Stunde der Klimarettung bricht an. [Online] 5. April 2022. https://www.t-onlin … -die-klimakrise.html

10. Utopia-Team und dpa. Wann erreichen wir die 1,5 Grad Erderwärmung? [Online] 6. April 2022. https://utopia.de/news/weltklimarat-dritter-bericht-ipcc/

11. Fischer, Linda; Erdmann, Elena;. Ein Aufruf zur Revolution. [Online] 4. April 2020. https://www.zeit.de/wissen/umwelt/2022-04/ipcc-bericht-klimaschutz-1-5-grad

12. Internationale Energieagentur. Flagship Report SDG 7: Data and Projetions. [Online] 1. April 2022. https://www.iea.org/reports/sdg7-data-and-projections

13. SPIEGEL Wissenschaft. Guterres wirft Regierungen und Firmen Lügen beim Klimaschutz vor. [Online] 5. April 2022. https://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/ipcc-bericht-guterres-wirft-regierungen-und-firmen-luegen-beim-klimaschutz-vor-a-0d2d654-281e-4670-a4ac-9576e9bb7075

14. Berliner Morgenpost. Wo unsere Erde unbewohnbar wird. [Online] https://interaktiv.morgenpost.de/klimawandel-hitze-meeresspiegel-wassermangel-stuerme-unbewohnbar?mc_cid=7b7938aa79&mc_eid=c010416fda

15. Climate Action 100+. Much more action is needes to align with 1,5°C future. [Online] 30. März 2022. https://www.climateaction100.org/news/climate-action-100-net-zero-company-benchmark-shows-an-increase-in-company-net-zero-commitments-but-much-more-urgent-action-is-needed-to-align-with-a-1-5c-future/

16. Eckert, Werner. Was Experten gegen die Klimakrise empfehlen. Tagesschau.de. [Online] 4. April 2022. https://www.tagesschau.de/ausland/europa/weltklimarat-ipcc-105.html

17. Müller, Dirk. Mojib Latif: „Wir brauchen systemische Veränderungen“. Deutschlandfunk. [Online] 5. April 2022. https://www.deutschlandfunk.de/interview-mit-mojib-latif-klimaforscher-bremen-zum-weltklimabericht-dlf-25192d73-100.html

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