niederrheinisch - nachhaltig 

20.12.2021

„Bündnis Bodenwende“ fordert eine Enquete-Kommission zur gemeinwohlorientierten Bodenpolitik

Folie1.jpgDer Boden spielt eine Schlüsselrolle für die Herausforderungen der kommenden Jahrzehnte: soziale Wohnraumversorgung und gleichwertige Lebensverhältnisse, wirksamer Klimaschutz und Klimaanpassung, Erweiterung der grünen Infrastruktur, sozialer Zusammenhalt, gerechte Vermögensverteilung bis hin zu Artenschutz, naturverträglicher und nachhaltiger Landwirtschaft,  Nahrungsmittelproduktion und der Bewältigung von Pandemien. Bodenpolitik ist eines der wichtigsten und am meisten vernachlässigten Politikfelder.

Planwertsteigerungen und Bodenspekulationen gehören zum deutschen Alltag. Die Baulandpreise sind zwischen 1992 und 2020 um 363% gestiegen (1). Für vermögende Grundeigentümer*innen ist Deutschland ein Steuerparadies. 

Mit dem neuen Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen hat sich die Ampelkoalition vorgenommen, die Versäumnisse der Vergangenheit aufzuarbeiten. Die neue Ministerin Klara Geywitz steht vor einer riesigen Baustelle. Das “Bündnis Bodenwende” bietet ihr kritische Unterstützung an.

Das überparteiliche „Bündnis Bodenwende“ (1) entstand 2020 auf Initiative der renommierten Deutschen Akademie für Städtebau und Landesplanung (DASL).  Dem Bündnis gehören Architekt*innen, Naturschützer*innen, Raumplaner*innen und Miet- und Wohnungsorganisationen an.

Das Bündnis sieht in der Wende zu einer gemeinwohlorientierten Bodenpolitik eine der wichtigsten Aufgaben des neuen Bundestages. Am 15. Dezember 2021 forderte es von ihm, dazu eine Enquete-Kommission einzurichten. (2)

Das wünschte sich der SPD-Politiker und ehemalige Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Hans-Jochen Vogel bereits für die vergangene Legislaturperiode.
Zwischen 2017 und 2019 mischte er sich in die Debatte rund um die Baulandkommission für nachhaltige Baulandmobilisierung und Bodenpolitik“ ein. Es ging um Wohnungsnot und Mietpreissteigerungen

Der damals 93-Jährige schrieb ein Jahr vor seinem Tod in einem 80 Seiten umfassenden Buch (1) das auf, was ihn seit seiner Zeit als Münchner Oberbürgerbürgermeister umgetrieben hatte: der dauernde Anstieg der Wohnungsnot.

Vogel forderte das zu beseitigen, was Konrad Adenauer bereits 1920 als die „Wurzel des Übels“ beschrieben hatte und das anzugehen, was Willy Brandt 1974 als „überständige fundamentale Reform zur Erleichterung und Humanisierung unseres Zusammenlebens“ bezeichnet hatte:  eine Reform der Bodenordnung nach Vorgaben des Gemeinwohls.

In seinem Text zeigt Vogel, zu welchen Absurditäten der Umgang mit Grund und Boden nach den Regeln des Markts führt. Fielen 1962 in München beim Wohnungsbau acht Prozent der Kosten auf das Grundstück, waren es 2018 bereits 79 Prozent. Vogel schilderte seine Fehler und Erfahrungen im politischen Umgang mit Bodenpreisen und Bodenspekulationen und hoffte darauf, dass die Politiker*innen der Gegenwart daraus Nutzen ziehen.

Dies sei bisher nicht gelungen, kritisiert Stephan Reiß-Schmidt, Sprecher des “Bündnis Bodenwende”: „Die im Koalitionsvertrag festgehaltenen Aussagen bleiben hinter unseren Erwartungen zurück. Wir brauchen dringend konkrete und kreative Lösungen“ (3)

Hands of my tags - Michael Gaida - pixabay 211221.jpgDer Koalitionsvertrag enthalte zu wenige konkrete Vorgaben für eine Neuausrichtung der Wohnungs- und Bodenpolitik. Das Bündnis Bodenwende erwartet stattdessen eine Agenda mit sozialer und ökologischer Zielsetzung, die dem Klimaschutz und der Klimaanpassung, den Umweltbelangen und der drängenden Wohnungskrise gleichermaßen Rechnung trägt. Das Bündnis will den Bodenmarkt  wirksamer regulieren und planungsbedingte Bodenwertsteigerungen für die Allgemeinheit nutzbar machen.

Der Koalitionsvertrag sehe aber auch Schritte in die richtige Richtung vor: Die Ampel will den  Immobilienmarkt transparenter machen und Steuerschlupflöcher bei Share Deals schließen. 

Die Ampel will prüfen, ob das Innenentwicklungsmaßnahmengebiet - IEM als gebietsbezogenes Baugebot wirksam werden kann. Dies reiche aber allein nicht aus, um die finanzmarktgetriebene Boden- und Immobilienpreisspirale zu bremsen, analysiert das Bündnis Bodenwende.

Ähnlich unzureichend seien die angekündigten Änderungen im Mietrecht (reduzierte Kappungsgrenze, Verlängerung des Betrachtungszeitraums bei Mietspiegeln, qualifizierte Mietspiegelpflicht für Großstädte).

Für einen “großen Schritt zur Gemeinwohlorientierung” hält das Bündnis Bodenwende die im Koalitionsvertrag vereinbarte „neue Wohnungsgemeinnützigkeit“. Dass könne eine Tür zur „Bodengemeinnützigkeit“ öffnen. Damit bezahlbares Bauland für die ambitionierten Wohnungsbauziele der neuen Bundesregierung (400.000 Wohnungen pro Jahr, davon 100.000 geförderte) gerade in den angespannten Wohnungsmärkten zur Verfügung steht, müssten der Bodenmarkt wirksamer reguliert und die kommunale Bodenbevorratung auch durch ein gestärktes, preislimitiertes Vorkaufsrecht unterstützt werden.

Zudem sollte generell der Gebäudebestand besser (um)genutzt werden, um weitere Flächenversiegelung zu vermeiden. Damit der Fortschritt beim Neubau nicht durch den Verlust bezahlbarer Mietwohnungen im Bestand gleich wieder aufgezehrt wird, brauche es außerdem wirksamere Regelungen im Mietrecht und zur Steuerung der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen.

Um soziale Wohnraumversorgung mit Boden- und Klimaschutz bzw. -anpassung zu verbinden, fordert das “Bündnis Bodenwende” verbindliche Kriterien und Kennzahlen zur doppelten Innenentwicklung und zur Reduzierung des Flächenverbrauchs.  Die Koalitionsankündigung „Anreize setzen und Fehlanreize vermeiden“, um das 30-ha-Ziel zu erreichen, wie auch die „Förderung kommunaler Potenzialflächenkataster“ sollten daher mit konkreten Maßnahmen unterlegt werden.

Das Bündnis Bodenwende begrüßt es sehr, dass der umstrittene § 13b BauGB nicht nochmals verlängert werden soll. Er ermöglicht noch bis zum 31. Dezember 2022, im beschleunigten Verfahren und ohne Umweltprüfungen Siedlungen in den Außenbereich zu erweitern.

Für dringend geboten hälts das Bündnis Bodenwende eine umfassende und zeitnahe Novellierung des Baugesetzbuches mit der im Koalitionsvertrag betonten Gemeinwohlorientierung.

Kurzfristig sollte die Gesetzeslücke zum gemeindlichen Vorkaufsrecht in Milieuschutzgebieten geschlossen werden. Sie sorge derzeit in vielen Städten mit angespanntem Wohnungsmarkt für Verunsicherung.

Die Bundesbauministerin Klara Geywitz ist Politikwissenschaftlerin und bezeichnet sich als ein Planungsmensch, der sich gerade in der Sortierphase befindet: „Ich fange jetzt an, eine Tabelle zu machen, mit allen Aufgaben, die im Koalitionsvertrag für mein Ressort stehen, überlege mir, wer zuständig ist, ob mein Haus das alleine machen kann oder ob wir noch wen anderes brauchen.” (5) Das Bündnis Bodenwende hätte nichts dagegen,  gebraucht zu werden und seine Expertise einzubringen.

Anmerkungen

1. Schneller schlau: Was den Hausbau kostspielig macht. Frankfurter Allgemeine Zeitung. Nr. 296/20. Dezember 2021, S. 26,

2. Bündnis Bodenwende. Deutsche Akademie für Städtebau und Landesplanung. Wer wir sind - Wofür wir stehen. [Online] 2020. [abgerufen am 20.. Dezember 2021.] https://dasl.de/wp-content/uploads/2018/11/Anl.-2_BUeNDNIS-BODENWENDE_Wer-wir-sind_210621.pdf

3. Bündnis Bodenwende. Jetzt die Bodenwende einleiten. Pressemitteilung vom 15. Dezember 2021. [Online] https://dasl.de/wp-content/uploads/2018/11/BUeNDNIS-BODENWENDE_Pressemitteilung-4_-DASL_15.12.2021.pdf

4. Vogel, Hans-Jochen. Mehr Gerechtigkeit! Wir brauchen eine neue Bodenordnung - nur dann wird Wohnen auch wieder bezahlbar. Freiburg : Herder, 2019. ISBN 978-3-451-07216-1

5. Reifenrath, Isabel. Tagesschau.de. Bundesbauministerin Geywitz: Eine, die Höhen und Tiefen kennt. [Online] 18. Dezember 2021. abgerufen am: 20. Dezember 2021.] https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/geywitz-107.html

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Grenzlandgruen - 17:49 @ Raumplanung und Regionalentwicklung, Infrastrukturen und Daseinsvorsorge | Kommentar hinzufügen



 

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