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13.04.2023
Neue Studien: Feinstaub, Lungenkrebs und Demenz
Die winzigen Feinstaubpartikel mit einem Durchmesser von weniger als 2,5 Mikrometern machen uns krank. Daher fordern Forscher und Forscherinnen schon seit Jahren, die EU-Grenzwerte für Feinstaub entsprechend anzupassen.
Als Hauptverursacher gelten die Verbrennung fossiler Brennstoffe in Industrieprozessen, Heizungen und Automotoren, der Reifen- und Bremsenabrieb, auch der von Elektroautos, die Tierhaltung, der Düngemitteleinsatz oder Kamine.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hält die Luftverschmutzung für das größte umweltbedingte Gesundheitsrisiko in der Europäischen Union. Am schlimmsten sind die möglichen Folgen für Kinder, ältere Menschen und solche mit Vorerkrankungen. Die Feinstaubpartikel dringen tief in die Lungen ein und gelangen in den Blutkreislauf. Kurzfristige Belastung durch Feinstaub kann zu Husten, Atemnot, Augenreizung und einer Verschlimmerung von Asthma- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen führen. Langfristige Exposition gegenüber Feinstaub wird mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit von Lungenkrebs, Demenz, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Schlaganfällen und anderen chronischen Erkrankungen in Verbindung gebracht. (1)
Luftverschmutzung ist jedes Jahr für rund 300.000 vorzeitige Todesfälle in Europa verantwortlich. Die EU-Kommission hatte daher im Oktober 2022 angekündigt, bis 2030 die europäischen Luftqualitätsrichtlinien an die wesentlich strengeren Leitlinien der Weltgesundheitsorganisation anzupassen und den Jahresgrenzwert für Feinstaub um mehr als die Hälfte herabzusetzen. (2) Bis 2050 soll die Belastung auf „Null“ sinken. Die Frage nach dem „Wie“ ist allerdings noch nicht beantwortet.
Bisher war nicht klar, wie genau die kleinen Partikel die gesundheitlichen Schäden auslösen. Am 5. April 2023 veröffentlichte Nature eine Studie eines Forscherteams um William Hill mit Laborexperimenten und epidemiologischen Daten von mehr als 32.000 Menschen aus England, Südkorea, Taiwan und Kanada. (3) Fazit: Feinstaub kann das Lungenkrebsrisiko erhöhen, indem er bestehende genetische Vorbelastungen verstärkt. Dafür reiche bereits eine dreijährige Feinstaubbelastung mit geringer Dosis. Über die Studie berichten unter anderem Spektrum (4), das Sciencemediacenter (5) oder die ZEIT (6).
Wie dringlich es ist, die Luftbelastung durch politische Maßnahmen zu senken, zeigt auch die am 5. April 2023 im British Medical Journal (BMJ) von einem Team um Marc Weisskopf (Harvard University in Boston) veröffentlichte Metaanalyse aus 16 - überwiegend aus Nordamerika und Europa stammende - Studien zum durch Feinstaubbelastungen ausgelösten Risiko für Demenzerkrankungen. Die Analyse stärkt den Verdacht eines Zusammenhangs (7). Der Tagespiegel berichtet dazu. (8) In einem BMJ-Kommentar heißt es, dass es kaum Studien aus den Regionen gäbe, wo die Feinstaubbelastung besonders hoch ist.
Das Umweltbundesamt informiert seit Ende März 2023 in seiner App zur Luftqualität auch über die kleinen gesundheitsrelevanten Feinstaubpartikel. (9)
Ähnlich wie bei den früheren Tabakstudien weisen Wissenschaftler auch beim Feinstaub auf die kaum messbaren Störfaktoren hin, die es angeblich verhindern, präzise Aussagen zu den Zusammenhängen zwischen Feinstaubbelastung und individuellem Gesundheitszustand zu machen (10).
Würde vielleicht eine Studie über Verknüpfungen zwischen den wissenschaftlichen Bedenkenträgern und den jeweiligen industriellen Geschäftshauptsitzen, z.B. der Autokonzerne, die nötige wissenschaftliche Transparenz zu einer evidenzbasierten Luftqualitätspolitik verschaffen? (11)
Verweise
1. Umweltbundesamt. Warum ist Feinstaub schädlich für den Menschen? [Online] 27. August 2021. https://www.umweltbundesamt.de/service/uba-fragen/warum-ist-feinstaub-schaedlich-fuer-den-menschen#:
2. Europäische Kommission. Der europäische Grüne Deal: Vorschläge für bessere Luft- und Wasserqualität. [Online] 26. Oktober 2022. https://germany.representation.ec.europa.eu/news/der-europaische-grune-deal-vorschlage-fur-bessere-luft-und-wasserqualitat-2022-10-26_de
3. William Hill u.a. Lung adenocarcinoma promotion by air pollutants. Nature. [Online] 5. April 2023. https://www.nature.com/articles/s41586-023-05874-3
4. Mocker, Daniela. Wie Feinstaub Lungenkrebs begünstigt. Spektrum. [Online] 5. April 2023. https://www.spektrum.de/news/luftverschmutzung-wie-feinstaub-lungenkrebs-beguenstigt/2127012?utm_source=sdwv_daily&utm_medium=nl&utm_content=heute
5. Sciencemediacenter. Einfluss von Feinstaub bei Lungenkrebs. research in context. [Online] 7. April 2023. https://www.sciencemediacenter.de/alle-angebote/research-in-context/details/news/einfluss-von-feinstaub-bei-lungenkrebs/
6. Lüdemann, Dagny. Das Körnchen zum Krebs. DIE ZEIT. [Online] 6. April 2023. [Zitat vom: 12. April 2023.] https://www.zeit.de/gesundheit/zeit-doctor/2023-04/feinstaub-lungenkrebs-luftverschmutzung-gesundheit-nichtraucher/komplettansicht
7. Marc G. Weisskopf u.a. Ambient air pollution and clinical dementia: systematic review and meta-analysis. British Medical Journal 2023;381:e071620. [Online] 5. April 2023. https://www.bmj.com/content/381/bmj-2022-071620
8. Walter Willems, dpa. Studie untermauert These: Schon geringe Feinstaub-Werte steigern offenbar Demenzrisiko. [Online] 12. April 2023. https://www.tagesspiegel.de/wissen/studie-untermauert-these-schon-geringe-feinstaub-werte-steigern-offenbar-demenzrisiko-9643901.html
9. Umweltbundesamt. Umweltbundesamt erweitert App zur Luftqualität. [Online] 30. März 2023. https://www.umweltbundesamt.de/themen/umweltbundesamt-erweitert-app-zur-luftqualitaet
10. zum Beispiel: Lungenärzte im Netz. Macht Feinstaub Lungenkrebs? [Online] 20. September 2022. https://www.lungenaerzte-im-netz.de/news-archiv/meldung/article/macht-feinstaub-lungenkrebs/
11. Deckwirth, Christina. Dieseldebatte: Ein Lungenarzt-Aufruf mit Verbindungen zur Autoindustrie. Lobbycontrol. [Online] 1. Februar 2019. https://www.lobbycontrol.de/lobbyismus-und-klima/dieseldebatte-ein-lungenarzt-aufruf-mit-verbindungen-zur-autoindustrie-59644/
Grenzlandgruen - 07:50 @ Akteure und Konzepte, Umwelt und Gesundheit | Kommentar hinzufügen
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