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30.07.2025
EIR-Berichte 2025: Wettbewerbsfähig nur durch naturfreundliches Wirtschaften?
Menschliche Gesundheit schützen, eine gesunde Umwelt erhalten und wiederherstellen und damit unnötige wirtschaftliche Kosten vermeiden… Das gehört im Rahmen der globalen Wettbewerbsfähigkeit zu den Zielen der Europäischen Union (1) Dazu gibt es EU-Umweltgesetze, die die Mitgliedstaaten ordnungsgemäß und vollständig umsetzen müssen.
Seit 2016 überprüft und unterstützt eine Expertengruppe der Europäischen Kommission die Umsetzung im Rahmen der EIR (Environmental Implementation Review). Sie erstellt etwa alle drei Jahre EIR-Berichte, die die Leistung der einzelnen Mitgliedsstaaten analysieren und bewerten. Das dient als Diskussionsgrundlage für europäische Unterstützungsmaßnahmen.
Die am 7. Juli 2025 veröffentlichten vierten EIR- Berichte zeigen erneut erhebliche Lücken bei der Umsetzung europäischer Umweltschutzgesetze auf. Verbesserungen bei Kreislaufwirtschaft, Wasser, biologischer Vielfalt und Klima sind dringend erforderlich. (2)
Die Kommission hebt hervor, dass die Bürgerinnen und Bürger Deutschlands über ein ausgeprägtes Umweltbewusstsein und sehr aktive Nichtregierungsorganisationen verfügen. Dennoch hat sich trotz zahlreicher Bemühungen zur Wiederherstellung der Natur der Zustand vieler Ökosysteme weiter verschlechtert: 63 Prozent der Arten und 69 Prozent der in der FFH-Richtlinie aufgeführten Lebensraumtypen werden in Deutschland als „ungünstig-unzureichend“ oder „ungünstig-schlecht bewertet. Die Niederlande liegen mit 38% der Arten und 54 Prozent in einem ökologisch etwas günstigeren Bereich…
Lebensraumtypen wie die Mähwiese seien in den letzten Jahren an verschiedenen deutschen Standorten deutlich geschrumpft oder ganz verschwunden. Auch die Populationen der durch die Vogelschutzrichtlinie geschützten Vogelarten seien in Deutschland stark zurückgegangen. Weitere Wiederherstellungsmaßnahmen und Änderungen der Landnutzungspraktiken seien daher erforderlich. Verschmutzungen durch Landwirtschaft und Industrie belasten Gewässer und Böden erheblich, wobei Nitrat der schlimmste Schadstoff sei. Nach 25 Jahren Wasserrahmenrichtlinie befinden sich nur 9 Prozent der Oberflächengewässer in Deutschland in einem guten oder besseren ökologischen Zustand.
Die Investitionslücke zur Erreichung der deutschen Umweltziele betrage schätzungsweise 20 Milliarden Euro pro Jahr. Dies entspreche etwa 0,52 Prozent des nationalen BIP und liegt damit unter dem EU-Durchschnitt (0,77 Prozent). Etwas niedriger liegen die Niederlande mit einer Lücke von 0,4%.
Um die Investitionslücke ganz zu schließen, müsse Deutschland etwa 80,2 Milliarden Euro pro Jahr in die Umsetzung der europäischen Umweltpolitik investieren. Mit dem mit 3,5 Milliarden Euro geförderten „Aktionsplan Naturbasierte Lösungen für Klima und Biodiversität“ (ANK) will die Bundesregierung seit 2024 bis 2027 die Widerstandsfähigkeit und Klimaschutzleistung deutscher Ökosysteme stärken. Die Renaturierung und Wiedervernässung von Mooren ist dabei ein wesentlicher Bestandteil.
Mit 14% liege die Kreislaufwirtschaft in Deutschland über dem EU-Durchschnitt (11,8%). Allerdings erzeuge Deutschland weit mehr Abfall als der EU-Durchschnitt. Insgesamt scheint es in Deutschland im Zeitraum 2010–2022 eine sehr geringe Entkopplung der Abfallerzeugung vom Wirtschaftswachstum gegeben zu haben. (3) Mit der Verabschiedung der ersten umfassenden nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie Deutschlands im Dezember 2024 könnte sich die Situation verbessern. (4) In Bezug auf Ressourcenproduktivität, Sekundärmaterialnutzung und Abfallmanagement zählen die Niederlande zu den leistungsstärksten Ländern der EU in der Kreislaufwirtschaft.
Der anhaltende Druck durch Stickstoffeinträge vor allem durch die Landwirtschaft beeinträchtigt auch bei den niederländischen Nachbarn die Moore, Wälder und das Wasser. Die Europäische Kommission bemängelt, dass lediglich 4,44 % der landwirtschaftlichen Fläche für den ökologischen Landbau verwendet wird. In Deutschland sind es 9,83 %. Das Europäische Ziel liegt bei 25%.
Die Kosten der Nichtumsetzung von EU-Umweltvorschriften durch Luft- und Wasserverschmutzung, Naturzerstörung und Abfall werden für die EU auf 180 Milliarden Euro pro Jahr geschätzt. Das entspricht etwa 1 Prozent des BIP der EU.
Die EU hat das Weltnaturschutzabkommen von Montreal (5) vorangetrieben. Demnach sollen Umweltzerstörung und der Rückgang der Artenvielfalt bis 2030 gestoppt werden und die globale Natur sich wieder erholen können. Um das zu erreichen, müssen die umweltpolitischen Aktivitäten deutlich intensiviert werden. Noch verbraucht Europa mehr Ressourcen und trägt stärker zur Umweltzerstörung bei als andere Weltregionen. 75 % der europäischen Ökosystemflächen sind übermäßigen Stickstoffwerten ausgesetzt, was zur Eutrophierung (6) (7) führt.
Die Auswirkungen des Klimawandels auf Artenvielfalt und Ökosysteme werden sich höchstwahrscheinlich verstärken. Mit den EIR-Berichten liefert die Kommission, selbst den Beweis dafür, dass auch aus Wettbewerbsgründen ihre Regularien für eine naturverträgliche Wirtschaft nicht zurückgedreht werden dürfen.
Doch derzeit profilieren sich deutsche Landwirtschaftsminister mit einem Angriff auf die EU-Verordnung zur Wiederherstellung der Natur (8) . „ Zukunftsfähiger Wettbewerb gelingt aber nur, wenn Umwelt und Klima nicht hinten runterfallen. Der Erhalt von Biodiversität, intakten Ökosystemen und konstanten Grundwasserpegeln ist zentral für große Bereiche der gesamten Wirtschaft – und existenziell für die europäische Land- und Ernährungswirtschaft“ so Prof. Dr. Katharina Reuter, Geschäftsführerin des Bundesverbands Nachhaltige Wirtschaft e.V. (9)
Verweise
1. Der bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger zählt dies allen Ernstes zu den “Sargnägeln”, die in der EU erfunden worden sind, um der heimischen Wirtschaft zu schaden. DLF. [Online] 29. Juli 2025. https://www.deutschlandfunk.de/interview-hubert-aiwanger-freie-waehler-wirtschaftsminister-bayern-zu-us-zoll-100.html
2. Europäische Kommission. Bericht zur Umsetzung von EU-Umweltrecht in den 27 EU-Staaten veröffentlicht. [Online] 7. Juli 2025. https://germany.representation.ec.europa.eu/news/bericht-zur-umsetzung-von-eu-umweltrecht-den-27-eu-staaten-veroffentlicht-2025-07-07_de
3. European Commission. 2025 Environmental Implementation Review - Country reports - Germany and The Netherlands. [Online] 7. Juli 2025. https://ec.europa.eu/transparency/documents-register/detail?ref=SWD(2025)310&lang=en
4. Kreislaufwirtschaftsstrategie Deutschland. [Online] [abgerufen am: 30. Juli 2025.] https://www.kreislaufwirtschaft-deutschland.de/
5. UN enviroment programme. Kunning-Montreal Global biodiversity framework. Draft decision submitted by the President. [Online] 18. Dezember 2022. https://www.cbd.int/doc/c/e6d3/cd1d/daf663719a03902a9b116c34/cop-15-l-25-en.pdf
6. Umweltbundesamt. Eutrophierung. [Online] 17. Mai 2024. https://www.umweltbundesamt.de/themen/wasser/gewaesser/meere/nutzung-belastungen/eutrophierung
.
7. Umweltbundesamt. Überschreitung der Belastungsgrenzen für Eutrophierung. [Online] 1. November 2024. https://www.umweltbundesamt.de/daten/flaeche-boden-land-oekosysteme/land-oekosysteme/ueberschreitung-der-belastungsgrenzen-fuer-0#situation-in-deutschland
8. Deutscher Naturschutzring. Angriff auf EU-Verordnung zur Wiederherstellung der Natur. [Online] 24. Juni 2025. https://www.dnr.de/aktuelles-termine/aktuelles/angriff-auf-eu-verordnung-zur-wiederherstellung-der-natur
9. Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft e.V. EU-Rekordhaushalt? Kürzungen bei Klima, Biodiversität und nachhaltiger Landwirtschaft gefährden Wirtschaftsstandort Europa. [Online] 18. Juli 2025. https://www.bnw-bundesverband.de/sites/default/files/inline-files/20250718_PM%20MFR%20EU_BNW.pdf
Grenzlandgruen - 18:56 @ Europa, Umwelt und Gesundheit, Mensch und Tier, Wirtschaft und Finanzen | Kommentar hinzufügen
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