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26.07.2022
Projekt KompaGG-N: Stickstoffüberschüsse vermarkten statt begrenzen?
Die Stickstoffbelastung durch Gülle aus der Rindfleischproduktion ist dreimal höher als bei der Gülle aus der Schweinefleischproduktion und im Vergleich zur Geflügelfleischproduktion acht mal so hoch. Das hat Prantik Samanta vom Engler-Bunte-Institut – Wasserchemie und Wassertechnologie beim Karlsruher Institut für Technologie in einer gemeinsam mit Institutschef Prof. Dr. Harald Horn und Dr. Ing. Florencia Saravia erstellten Studie herausgefunden (1).
Das Institut beschäftigt sich seit mehr als 100 Jahren mit der ressourcenschonenden Energie- und Wassernutzung und ist beteiligt am - mit knapp 1,3 Millionen Euro geförderten - Forschungsprojekt KompaGG-N (Komplette Aufbereitung der Gülle- und Gärprozessentwicklung unter Berücksichtigung regionaler Stoffstromkonzepte für Nährstoffe und Schadstoffe) (2).
Gülle oder Gärreste aus der Biogasproduktion werden in der Landwirtschaft häufig als Düngemittel eingesetzt. Landet jedoch zu viel davon auf den Feldern, belastet dies das Grundwasser mit der Stickstoff-Verbindung Nitrat. Die Düngung mit organischen Reststoffen wird daher seit einigen Jahren durch verschiedene gesetzliche Vorgaben deutlich erschwert. Stickstoff- und Phosphorüberschüsse sollen begrenzt werden.
Wer auf industrialisierte Massentierhaltung setzt, braucht technische Alternativen, um Gülle und Gärreste im Rahmen einer Kreislaufwirtschaft so zu verwerten, dass die knapper werdende Ressource Trinkwasser nicht weiter gefährdet wird. Das Team des Verbundprojektes KompaGG-N möchte daher Verfahren aus der Abwasserbehandlung weiterentwickeln, um regionalspezifisch überschüssige Nährstoffe umweltverträglich abzubauen oder Stickstoff als Ressource zurückzugewinnen und die Reststoffe gefahrlos in die Gewässer einleiten zu können. Die Berliner E&P-Anlagenbau GmbH oder die BIORESTEC GmbH in Laatzen entwickeln entsprechende Versuchsanlagen. Im Projekt geht es um den sequentiellen Verdampfungs- und Deammonifikationsprozess, um Fest-Flüssig-Trennung durch Membranfiltrationsverfahren und um regionale Stoffstromkonzepte. Für derartige Techniken und Verfahren sei ein europaweites Marktpotenzial vorhanden, meint das Forschungsministerium. (3)
Die Forscher*innen um Prantik Samanta stellten erstmals eine direkte Beziehung zwischen Fleischproduktion und Gülleerzeugung her, berechneten anhand der durchschnittlichen Proteinwerte den Stickstoffgehalt und den Stickstoffverlust pro kg Rind-, Schweine- und Geflügelfleisch und den Energiebedarf für die entsprechende Rückgewinnung von Ammoniumstickstoff. Varianten, die durch spezifisches Tierfutter oder durch Güllelagerung entstehen könnten, berücksichtigten sie allerdings nicht.
„Dass die Fleischproduktion sich sehr nachteilig für die globale Stickstoffbilanz auswirkt, ist bekannt.“ sagt Prantik Samanta (4). Der - bis März 2022 betriebene - Stickstoff-Fußabdruck-Rechner (5) zeigte zwar den Stickstoff-Fußabdruck eines Landes, aber nicht, welch hohen Anteil die dabei entstehende Menge an Gülle daran hat.
Die Forscher*innen haben berechnet, wie viel Energie nötig wäre, um den Eintrag von Stickstoff in die Umwelt weitestgehend zu minimieren. Samanta: „Bei der Produktion von einem Kilogramm Rindfleisch verbleiben 140 Gramm Ammoniumstickstoff in der Rindergülle.“ Um diesen Nährstoff zurückzugewinnen, benötige man sieben Kilowattstunden an Energie. Zum Vergleich: Die Deutschen verbrauchen pro Kopf im Durchschnitt etwa 29 Kilowattstunden Strom pro Woche.
Was ist mit Mikroschadstoffen und Antibiotika und multiresistenten Keimen in der Gülle? Welche Vermarktungspotenziale birgt eine derartig energieintensive Rückgewinnung des Ammoniumstickstoffs? Wer baut und vertreibt die Anlagen? Rechnen sich die Investitionen? Welche Auswirkungen hätte eine sinkende Fleischproduktion im Rahmen einer Ernährungswende? Das im September 2019 gestartete KompaGG-N-Projekt endet am 31. August 2022.
Verweise
1. Samanta, Prantik; Horn, Harald; Saravia , Florencia; . Impact of Livestock Farming on Nitrogen Pollution and the Corresponding Energy Demand for Zero Liquid Discharge. Water 2022, 14, 1278. [Online] 15. April 2022. https://www.mdpi.com/2073-4441/14/8/1278/htm
2. Leibniz Universität Hannover - Institut für Siedlungswasserwirtschaft und Abfalltechnik KompaGG-N. [Online] 3. Juni 2022. https://www.isah.uni-hannover.de/de/forschung/forschungsfelder/trinkwasser/forschungsprojekte/projects/kompagg-n-komplettaufbereitung-von-guelle-und-gaerresten-verfahrensentwicklung-unter-beruecksticht/
3. Bundesministerium für Bildung und Forschung & KMU innovativ - Mittelstand. [Online] Februar 2021
https://grenzlandgruen.de/.cm4all/uproc.php/0/ProjektbltterKMU-i_2021_2.pdf?cdp=a&_=1823be55ec0
4. Karlsruhe Institut für Technologie. Stickstoff-Fußabdruck: Hohe Verschmutzung und Ressourcenverlust durch Gülle. [Online] 4. Juli 2022. https://www.kit.edu/kit/pi_2022_063_stickstoff-fussabdruck-hohe-verschmutzung-und-ressourcenverlust-durch-gulle.php
5. University of New Hampshire. [Online] [Zitat vom: 25. Juli 2022.] http://www.n-print.org/
Grenzlandgruen - 19:59 @ Umwelt und Gesundheit | Kommentar hinzufügen
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