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11. September 2021

11. September: Über Taten und Ankündigungen

© Myriams Fotos auf Pixabay

Heute jährt sich „9/11“ zum 20. Mal. 2.977 Menschen (1) kamen am Dienstag, 11. September 2001 durch die Terroranschläge in New York, Washington und in Shanksville im Bundesstaat Pennsylvania ums Leben.

Olaf Scholz war Hamburger Innensenator, als am Abend des 11. September 2001 bekannt wurde, dass Studenten der Technischen Hochschule Hamburg-Harburg an dieser grausamen Weltveränderung beteiligt waren. Die zuvor als weltoffen gepriesene Uni geriet "unter Beschuss". Krista Sager äußerte sich dazu als Wissenschaftssenatorin und zweite Bürgermeisterin Hamburgs: „Die mörderischen Terroranschläge haben uns vor Augen geführt, wie verletzbar unsere modernen Gesellschaften sind. Es sind Anschläge auf unsere Lebensweise und auf die Formen des Zusammenlebens, auf die wir stolz sein können. Dazu zählen auch das besonders gute Verhältnis der ausländischen Studierenden untereinander und zu ihren deutschen Kommilitonen hier in Hamburg. Die TUHH leistet hier einen besonderen Beitrag. Die Tatsache, dass es sich hier um gewöhnliche Studenten der TUHH handelt, die nun mit den Verbrechen in den USA in Verbindung gebracht werden, zeigt uns noch einmal, dass viele Werte, auf die wir zu Recht stolz sind, nun in Frage gestellt scheinen" (2).

Schon vor 20 Jahren hieß es allenthalben, dass dieser Tag die Welt verändern werde. Diese Ankündigungen sind wahr geworden. Der 11. September hat nicht nur den Rechtsstaat nachhaltig verwandelt. 

Die Folgen der Terroranschläge wirken bis heute nach: Zerstörung, Leid, Kriege gegen Terror, Aufrüstungen in den Sicherheitsbehörden, US-amerikanische Folterkammern in der kubanischen Guatánamo-Bucht und anderswo, jahrzehntelange Verhaftungen ohne Gerichtsprozess, US-Soldaten, die im irakischen Gefängnis Abu Ghraib grinsend neben sadistisch gedemütigten Gewaltopfern posierten, 143.122 Tote im gescheiterten Afghanistan-Krieg, darunter 3.609 Soldaten der westlichen Truppen und 59 der Bundeswehr (1). Bei vielen Afghanistan-Veteranen reißt die heutige Lage alte Wunden auf. Viele Helfer*innen vom 11. September 2001 leiden noch heute unter dem, was sie gesehen und was sie an hochgiftigen Dämpfen eingeatmet haben. Inzwischen werden allein 68 verschiedene Krebsarten auf die "9/11"-Gifte zurückgeführt. (3).

Heute bietet der 20. Jahrestag viel Anlass zur skeptischen Analyse: Wie haben sich Europa, Deutschland, das transatlantische Verhältnis oder unsere Sicht auf die Welt seit dem 11. September 2001 verändert? Wie leben wir eigentlich? Was ist uns wichtig? Wie stellen wir uns als Gesellschaft auf? Da geht es auch um Herausforderungen wie den Klimawandel oder die Corona-Pandemie bis hin zur Grundsatzfrage, ob und wie unser Wirtschafts- und Gesellschaftssystem so weitergehen kann wie bislang.

11. September 1996

© Instagramfotografin auf pixabay

Heute vor 25 Jahren fiel der 11. September auf einen Mittwoch. An diesem Tag debattierte in Bonn der Deutsche Bundestag zu den Zukunftschancen Deutschlands als Wirtschaftsstandort. Auch an diesem 11. September wurde viel angekündigt. Es ging nicht zum ersten und letzten Mal um die hohe Arbeitslosigkeit, die Krise des Sozialstaats und die geplante Verabschiedung eines Sparpakets....

Die heutigen Grenzlandgrünschnitt-Zitate stammen aus dieser Debatte. Sie haben die Welt nicht verändert, sondern sind heute noch aktuell und folgenlos. Als er am 11. September 1996 im Bundestag folgende Fragen stellte, ahnte Joschka Fischer nicht, dass er genau fünf Jahre später als Bundesaußenminister den USA „uneingeschränkte Solidarität“ versprechen musste: „Ich möchte Amerika nicht schlechtmachen. Die Frage ist nur: Wollen wir eine solche Gesellschaft? Oder wollen wir eine andere Gesellschaft, die diese Konflikte nicht so verursacht, wie wir das in Amerika erleben?“ (4)

1996 war Oskar Lafontaine  Ministerpräsident im Saarland. Das, was er in seiner Rede am 11.September 1996 gesagt hat, passt auch heute: „Ich wiederhole es noch einmal: In der heutigen Situation die Arbeit in diesem Ausmaße mit Steuern und Abgaben zu belasten und auf der anderen Seite Vermögens- und Zinseinkünfte praktisch freizustellen und den Umweltverbrauch gering zu besteuern, zeigt, wie veraltet und verrottet Ihre Politik im Grunde genommen ist.“ (4).

Wie ein Faktencheck zu Gregor Gysis Aussage vom 11. September 1996 ausfallen würde, ist noch offen: „Fakt ist doch, dass Deutschland das teuerste und zugleich unfähigste Management weltweit besitzt. Irgendwie gewinnt man den Eindruck, dass der Grad an Ideenlosigkeit eng mit der Höhe des Gehalts verbunden ist. Bei den Reichen und Besserverdienenden in dieser Gesellschaft stellt man Ideenfülle nur noch in Fragen der Kapitalflucht und Steuerhinterziehung fest.“ (4)

11. September 2021

© Waldryano auf Pixabay

Ganz von der Hand zu weisen ist Gysis Aussage wohl nicht. Denn am 8. September 2021 stellte das "Handelsblatt" eine Umfrage vor, die die  Wissenslücken der Manager*innen zum Thema „Nachhaltigkeit“ bestätigten. Viele redeten von Nachhaltigkeit, aber deren Grundideen seien in den Führungsetagen der Firmen kaum verankert. (5).

Dennoch kündigten in den letzten Tagen viele CEO’s an, sich in der Klima- und Nachhaltigkeitsdebatte stärker einbringen zu wollen. Auf die Frage, was nach der bevorstehenden Bundestagswahl am 26. September 2021 passieren müsse, antwortet Henkel-Chef Carsten Knobel im heutigen Interview mit der Rheinischen Post: „Wir haben in Europa natürlich große Herausforderungen. Ich glaube, wir müssen schneller werden und manchmal auch pragmatischer, denn wenn wir aktuell zu Entschlüssen kommen, sind andere Regionen vielleicht schon zwei Schritte weiter.“ (6)

Frage am 11. September 2021: Lebt eigentlich das Begriffschamäleon „Nachhaltigkeit“ von Ankündigungsreichtum und Tatenarmut und droht seine Schwester „Demokratie“ womöglich an Ankündigungsarmut und Tatenreichtum zu sterben?

Verweise

1. Was vom Krieg gegen den Terror bleibt - eine Bilanz in Grafiken. Süddeutsche Zeitung. 8. September 2021, S. 11.

2. Spektrum . Wintersemester 20021/2002. Technische Universität Hamburg-Harburg. S. 6.

3. Mücke, Peter. Tagesschau.de. Das Sterben geht weiter. [Online] 6. September 2021. https://www.tagesschau.de/ausland/amerika/usa-newyork-nineeleven-schadstoffe-101.html.

4. Plenarprotokoll 13/121 vom 11. September 1996. Deutscher Bundestag -Stenografischer Bericht.

5. Unkenntnis über UN-Ziele: Die nachhaltigen Wissenslücken der Manager. Fröndhoff, Bernd;. 9. September 2021, Handelsblatt, S. 22f.

6. Start ups sind Teil der Strategie. 11. September 2021, Rheinische Post, S. B1.


Grenzlandgrünschnitt vom 11. September 2021
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