Bernd Gather (Gemeinde Schwalmtal zum Am/36 (Kranenbachcenter)
In der Sache möchte ich wie folgt Stellung beziehen:
Auf welches Urteil des Bundesverwaltungsgerichts berufen Sie sich bei der rechtlichen Wertung von Am/33?
Es handelt sich um das Urteil des 4. Senats des Bundesverwaltungsgerichts vom 03.04.2008 mit dem Aktenzeichen 4 CN 3/07. In diesem heißt es:
„ Die Festsetzung gebietsbezogener Verkaufsflächenbegrenzungen für das Sondergebiet […] ist unwirksam, weil sie nicht auf eine Rechtsgrundlage zurückgeführt werden kann“ [Rn. 13]
„Nicht gestattet ist […] jedoch, durch eine betriebsunabhängige Festsetzung von Verkaufsflächenobergrenzen für alle im Sondergebiet ansässigen oder m 2zulässigen Einzelhandelsbetriebe das System der vorhabenbezogenen Typisierung zu verlassen, auf dem die Vorschriften der Baunutzungsverordnung zur Art der baulichen Nutzung beruhen.“ [Rn. 16]
„Eine vorhabenunabhängige Kontingentierung von Nutzungsoptionen ist der der Baunutzungsverordnung grundsätzlich fremd. […] Eine Kontingentierung der Verkaufsflächen, die auf das Sondergebiet insgesamt bezogen ist, öffnet das Tor für sog. „Windhundrennen“ potentieller Investoren und Bauantragsteller und schließt die Möglichkeit ein, dass Grundeigentümer im Fall der Erschöpfung des Kontingents von der kontingentierten Nutzung ausgeschlossen sind. Dieses Ergebnis widerspricht dem der Baugebietstypologie (§§ 2 bis 9 BauNVO) zugrunde liegendem Regelungssatz, demzufolge im Geltungsbereich eines Bebauungsplans im Grunde jedes Baugrundstück für jede nach dem Nutzungskatalog der jeweiligen Baugebietsvorschrift zulässige Nutzung soll in Betracht kommen können.“ [Rn. 17]
Dies ist beim derzeit rechtskräftigen Am/33 der Fall, da für das gesamte Sondergebiet eine Verkaufsflächenobergrenze von 2.500 m 2 festgesetzt wird (Festsetzung 2.1). Auch wenn in Festsetzung 2.2 die maximale Verkaufsfläche für den Lebensmittelvollsortimenter mit 1.500 m 2 festgesetzt wird, besteht hier dennoch eine unzulässige Kontingentierung, da für weitere Einzelhandelsbetriebe, die nach Festsetzung 1.1 im Sondergebiet zulässig sind, eine gesamte Verkaufsfläche von 1.000 m 2 verbleibt, die jedoch auf eine unbestimmte Anzahl von Betrieben anwendbar ist. Würde sich somit mehrere Betriebe auf den verbliebenen 1.000 m 2 ansiedeln wollen, wären dem sogenannten „Windhundrennen“ Tür und Tor geöffnet. Hier würde der Betrieb (Betrieb A), der zuerst einen Bauantrag stellt, im Vorteil gegenüber einem zweiten Betrieb (Betrieb B) sein. Dies wäre beispielsweise dann der Fall, wenn Betrieb A von den verfügbaren 1.000 m 2 Verkaufsfläche lediglich 800m 2 in Anspruch nehmen wollen würde. Betrieb B hätte – sehr wahrscheinlich – das Nachsehen, da die verbliebenen 200 m 2 für ihn nicht ausreichen würden. Die Verkaufsfläche muss daher „betriebsgebunden“ begrenzt werden (bspw. Ein Einzelhandelsbetrieb mit max. 1.500 m 2 VK, zwei Einzelhandelsbetriebe mit jeweils max. 1.000 m 2 VK sowie ein Einzelhandelsbetrieb mit max. 800 m 2 VK).
Nach aktueller Einschätzung besteht sogar die Gefahr, dass der Bebauungsplan unwirksam ist. Hierzu aus dem Urteil:
„Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts […] hat die Ungültigkeit eines Teils einer Satzungsbestimmung nur dann deren Gesamtnichtigkeit zur Folge, wenn die Rechtsbestimmung auch ohne den nichtigen Teil sinnvoll bleibt (Grundsatz der Teilbarkeit) und mit Sicherheit anzunehmen ist, dass sie auch ohne diesen erlassen worden wäre (Grundsatz des mutmaßlichen Willens des Normgebers). [Rn. 30]
Wie definieren Sie das gemeindliche Interesse an der Planung Am/36?
Das gemeindliche Interesse an der Erweiterung des Kranenbachcenters wird bereits im Einzelhandelskonzept der Gemeinde dargelegt. Auf Seite 47 heißt es hier:
„Zur langfristigen Stärkung des Nahversorgungszentrums [Amern] und dessen Versorgungsfunktion im Gemeindegebiet kann eine Weiterentwicklung des Standortbereiches empfohlen werden.“
Hierauf wird auch auf Seite 6 der Begründung zum Bebauungsplan Am/36 Bezug genommen.
Welche kritischen Punkte enthält die Umsetzung von Am/36 für die WRRL-Maßnahme Kranenbach?
Hierzu verweise ich auf die vorliegende Stellungnahme des Schwalmverbandes.
Zusammenfassend darf ich daher festhalten, dass Ihr Vorwurf einer "Gefälligkeitsplanung" absolut haltlos und unbegründet ist. Das Verfahren ist u.a. zur Erlangung einer hohen Rechtssicherheit erforderlich und städtebaulich begründet. Alle Verfahrensschritte im Bauleitplanverfahren erfolgen mit hoher Transparenz. Es steht Ihnen selbstverständlich frei, im Planverfahren Anregungen oder Bedenken zu äußern. Der Rat der Gemeinde Schwalmtal wird sich dann mit Ihren Ausführungen beschäftigen. Sie haben sicherlich Verständnis dafür, dass ich diese Mail auch den Fraktionen zur Kenntnis geben werde.
Bernd Gather
Allg. Vertreter des Bürgermeisters
Fachbereichsleiter Planung, Verkehr und Umwelt