Kapitalismus und Nachhaltigkeit
VHS-Grenzlandgrün-Veranstaltungsreihe im 1. Semester 2020
Schutz des Klimas, der Artenvielfalt, des Wassers und Bodens. Cradle to Cradle, ökosoziale Marktwirtschaft oder zirkuläre Ökonomie… Die Frage, wie der Gefährdung der globalen Lebensgrundlagen schnell Einhalt geboten werden kann, ist eng mit der - durch Bankenkrise 2008 und Eurorettung 2012 - neu entfachten Debatte um Geldschöpfung und einen geordneten Kapitalismus verwoben. Die einen sind davon überzeugt, dass“ die Märkte sich dem Trend zur Nachhaltigkeit nicht verschließen können. Die anderen setzen auf politische Regulierungen und staatliche Geldschöpfung, um einen ungezügelten ausschließlich auf Gewinn ausgerichteten Kapitalismus in eine ökosoziale Marktwirtschaft zu verwandeln. Die dritten glauben nicht daran, dass sich Kapitalismus und nachhaltige Entwicklung überhaupt vertragen können. Knackpunkt: der systemimmanente Wachstumszwang, der keine Rücksicht auf naturwissenschaftlich begründete Grenzen nehmen kann. Was bedeutet diese Debatte für bewusste Verbraucher*innen und ökosozial engagierte Bürger*innen? Im Anschluss an die „VHS- Grenzlandgrün“ - Reihe „Nachhaltigkeit-Macht-Sinn“ des 2. Semesters 2019 widmen sich fünf Film- und Themenabende einigen Aspekten des Zusammenhangs von kapitalistischer Kultur
und nachhaltiger Entwicklung.
1. Die Grüne Lüge (2018)
Filmabend in Zusammenarbeit mit der Königsburg Süchteln
Imperiale Lebensweise, neuer Kolonialismus, Unfairer Handel…Es ist schon lange kein Geheimwissen mehr, was der überbordende westliche Lebensstil in den Ländern des
globalen Südens anrichtet. Dennoch gelingt es vielen Konzernen, ihr unfaires und schmutziges Kerngeschäft hinter schönen Öko- und Sozialversprechen zu verstecken. Denn
mit der Zusicherung, sich selbst um die Probleme zu kümmern, die sie verursachen, halten sie sich politische Auflagen und Gesetze vom Hals und verkaufen die Illusion, mit
Kaufentscheidungen die Welt retten zu können. Greenwashing nennt sich diese Strategie. Gemeinsam mit der Greenwashing-Expertin Kathrin Hartmann zeigt Werner Boote in seinem
unterhaltsamen und erschütternden Film aus dem Jahre 2018, wie wir uns dagegen wehren können.
Lars Lange (Eine Erde e.V.) stellt anschließend seine Eindrücke von dem Film zur Diskussion.
Dienstag, 14.1.2020, 19:00 - 21.30 Uhr
Königsburg, Hochstraße 13
41749 Viersen-Süchteln
2. "Whatever it takes": Finanzmärkte, EZB, MMT und der green new deal
Unser Geld besteht aus wertlosem Papier und Datenbankeinträgen. Wertvoll wird es durch
unser Vertrauen in das Bankensystem. Als Vertrauensgarant für die Aufrechterhaltung der
Geldwertstabilität des Euro gilt die politisch unabhängige Europäische Zentralbank (EZB).
"Whatever it takes" - das sind nach Auffassung mancher Ökonomen die drei Worte des ehemaligen EZB-Präsidenten Mario Draghi, die am 26. Juli 2012 den Euro und die Europäische Union gerettet haben. Im Zuge ihrer unkonventionellen Rettungsmaßnahmen über Anleihekäufe hat die EZB zwischen 2015 und 2018 ungefähr 2,6 Billionen Euro "ausdem Nichts" erschaffen.Die europäischen Geldmengen wachsen schneller als die Realwirtschaft. Sie landen aber nicht in die Sanierung von Schulen, in Maßnahmen zum Klimaschutz oder in den Sozialstaat, sondern in den privaten Händen weniger Vermögender. Und die sorgen durch den Kauf von Finanzprodukten, Aktien oder Immobilien für steigende Preise und für soziale Verwerfungen.
In jüngster Zeit etabliert sich mit der "Modern Monetary Theory" (MMT) eine neue volkswirtschaftliche Denkschule. Sie geht davon aus, dass im modernen Geldsystem der Staat das Geld ausgibt und dann die Geldmenge gemeinwohlorientiert durch Steuern regelt.Zunehmend werden Stimmen laut, die unter großem Zeitdruck stehende Klimapolitik und einen "green new deal" quasi über die "staatliche Notenpresse" zu finanzieren. Auch die EU will das Finanzsystem in eine Position bewegen, "in der es die Wirtschaft so unterstützt, dass sie auf nachhaltiger Grundlage funktionieren kann." Wirtschaft soll die Ziele
der UN-Agenda 2030 und des Pariser Klimaabkommens verfolgen, um "einen gesunden Planeten sowie faire inklusive und krisenfeste Gesellschaften und florierende Volkswirtschaften" zu gewährleisten.
Welche Rolle spielen die EZB und die Europäische Investitionsbank (EIB) bei den greenfinance Strategien der EU? Wie funktionieren eigentlich EZB und der europäische Geldmarkt? Gelten die alten volkswirtschaftlichen Theorien noch? Was ist von der MMT zu halten?
Dr. Stefan Berger - MdEP (Jg. 1969) ist Wirtschaftswissenschaftler und Mitglied im
Ausschuss für Wirtschaft und Währung des Europäischen Parlaments.
Bernhard Jäger (Jg. 1947) hat unter anderem als Bankkaufmann an der Frankfurter Börse, als Broker in London und in Hong Kong für eine deutsche Bank gearbeitet. Er beschäftigt sich mit den Auswirkungen der Finanzmärkte auf den menschlichen Alltag.
Dr. Tobias Kunstein ist Volkswirt und Politikwissenschaftler, Geschäftsführer des Instituts für Politische Wissenschaften und Europäische Fragen an der Universität Köln und Mitglied des Vorstands der Europa Union Köln. Er beschäftigte sich in seiner Diplomarbeit und Dissertation mit Fragen der Eurozone und der Europäischen Zentralbank.
Dienstag, 21.01.2020, 19:00 - 21.15 Uhr
Albert-Vigoleis-Thelen-Stadtbibliothek, Rathausmarkt 1 B,
41747 Viersen
3. Der marktgerechte Mensch (2020)
Filmabend in Zusammenarbeit mit der Königsburg Süchteln
Soziale Nachhaltigkeit hat es schwer in Europa. Der europäische Arbeitsmarkt wird dereguliert. Seit rund 20 Jahren geraten über Jahrzehnte erstrittene soziale Errungenschaften unter Druck. Während 2000 in Deutschland noch knapp zwei Drittel der Beschäftigten in einem Vollzeit-Job mit Sozialversicherungspflicht arbeitete, sind es heute nur noch 38%. Befristungen, Werkverträge, Leiharbeit, Crowdworking & Co breiten sich aus. Der Konkurrenzkampf umfasst zunehmend alle Lebensbereiche und drängt viele Menschen
ins Abseits. Welche Folgen hat das für den Einzelnen, für die Gesellschaft und die Solidargemeinschaft? Wie konnte es zu dieser Entwicklung kommen und wie kann man ihr entgegen treten? Nachdem im Mai 2019 in der Königsburg zur Diskussion gestellten Film „Der marktgerechte Patient“ widmet sich der neue Film von Leslie Franke und Herdolor Lorenz diesen Fragen.
Der ehemalige Arzt und Psychotherapeut Herbert Hochheimer (IPPNW) stellt seine ersten Eindrücke von dem Film zur Diskussion.
Dienstag, 28.1.2020, 19:00 - 21.30 Uhr
Königsburg, Hochstraße 13
41749 Viersen-Süchteln
4. Visionen und Vollzugsdefizite - "Generation Y" und der nachhaltige Kapitalismus
Sie gelten als neoliberal sozialisierte Egotaktiker*innen, sind mit Internet, Krisengefühl und Unsicherheiten, ohne Systemalternativen, aber mit der UN-Kinderrechtskonvention und
vielen Nachhaltigkeitskonzepten aufgewachsen. Die zwischen 1980 und 2000 Geborenen werden von Soziologen und Marketing-Experten "Millennials", "Generation Y" oder auch - mit Blick auf soziale Unterschiede - "Generation Chips" genannt. Menschen dieser Generation übernehmen allmählich das "gesellschaftliche Ruder". Welche Vorstellungen haben sie von nachhaltiger Entwicklung? (Wie) wollen sie die UN-Nachhaltigkeitsagenda im kommenden Jahrzehnt "vor Ort" umsetzen? Was wird aus dem Kapitalismus? Wie könnte das niederrheinische Leben der nächsten 30 Jahre aussehen? Gibt es überhaupt noch eine Zukunft, auf die es sich zu bauen lohnt? Im Gespräch mit "Kriegskindern" und "Babyboomern" stellen junge Entscheidungsträger*innen ihre Visionen und wahrgenommenen Vollzugsdefizite einer nachhaltigen Entwicklung zur Diskussion.
Lia Alphonsus (Jg. 2000) ist Studentin und hat sich in der Vergangenheit an
„Grenzlandgrün-Diskussionen“ zur globalen Nachhaltigkeit beteiligt.
Alina Martin (Jg. 1995) hat einen Masterabschluss in Biologie, studiert Sustainable
Agriculture an der Hochschule Rhein-Waal und arbeitet am NABU-Naturschutzhof im
Bereich Bildung für nachhaltige Entwicklung und Öffentlichkeitsarbeit.
Nina Sternheim (Jg. 1985) ist Speditionskauffrau und studiert Politikwissenschaften
und Verwaltungssoziologie.
Mathis Weuthen (Jg. 2003) ist Aktivist und engagiert sich u.a. bei Fridays für Future
und in der Initiative Bürger*innenräte.
Dienstag, 04.02.2020, 19:00 - 21.15 Uhr
Albert-Vigoleis-Thelen-Stadtbibliothek, Rathausmarkt 1 B,
41747 Viersen
5. Plastic Planet (2009)
Filmabend in Zusammenarbeit mit der Königsburg Süchteln
Der VHS-Grenzlandgrünabend „In der Plastikfalle“ stellte im November 2019 die EUKunststoffstrategie und die Bemühungen um Plastikrecycling dar. Der 10 Jahre zuvor erschienene Film von Werner Boote geht zum Ausgangspunkt der aktuellen Plastikdebatte zurück. Er zeigt, wie aus kindlicher Liebe zum Plastik erwachsene Ernüchterung über die ungeregelte Plastikproduktion unter kapitalistischen Bedingungen wird.
Stefan Vogt (Byebye Plastik Niederrhein) stellt Tipps zur Reduktion des
Plastikverbrauchs im Alltag zur Diskussion
Dienstag, 11.02.2020, 19:00 - 21.15 Uhr
Königsburg, Hochstraße 13
41749 Viersen-Süchteln